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Das Kloster (German Edition)

Das Kloster (German Edition)

Titel: Das Kloster (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Scott
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zu werden, vollständig; sie pries sich im Gegenteil recht glücklich, daß ihr der Zufall dieses Plätzchen hinter der Eßstube angewiesen hätte, und lebte sich allmählich in die Einbildung hinein, der Himmel habe sie zur Erhaltung und zum Schutze dieses armen Fremdlings dorthin geschickt. Mysie war schlichten Sinnes und empfindsamen Herzens, dabei aber aufgeweckt und unternehmend, und mutiger, als Frauen im allgemeinen zu sein pflegen; auch besaß sie einen ziemlich großen Grad von körperlicher Stärke. Und all diese Umstände zusammen genommen führten sie schließlich zu dem Gedanken: »Ich will ihn retten, den schmucken Menschen, und neugierig bin ich, was er dann wohl von dem armen Müllerstöchterlein denken und was er zu ihr sagen wird, wenn sie so etwas für ihn gewagt und ausgeführt hat, wozu sich doch all die vornehmen Damen in London und andern großen Städten von England im ganzen Leben nicht entschlossen hätten!«
    Im nächsten Augenblick gab ihr freilich die Klugheit einen Nasenstüber und hielt ihr vor, daß es doch für sie persönlich im selben Verhältnis gefährlich zu werden drohte, wie sich Sir Piercies Herz aus Dankbarkeit ihr zuwendete. Aber da fielen ihre Blicke gleichzeitig auf den kleinen Spiegel, neben den sie ihre kleine Lampe gestellt hatte, und in dem kleinen Spiegel sah sie eine Figur, die von schönstem Ebenmaße war, und ein Paar Augen, die lustig blitzten und funkelten, und noch durch jenen Ausdruck veredelt wurden, der Gemütern zu eigen ist, die kühne Taten entwerfen und in Ausführung setzen können.
    »Ei, sollten diese Augen, diese Züge und diese Figur nicht im Verein mit dem Dienste, den ich dem Ritter zu tun im Begriff stehe, den Rangunterschied zwischen uns beiden bis zu einem gewissen Grade aufheben können?«
    Diese Frage wurde durch die nicht geringe Portion von Eitelkeit, die in ihrem Köpfchen steckte, bei ihr wachgerufen, und wenn ihre Phantasie auch nicht gleich mit einem schnellen Ja darauf antworten mochte, so wurde doch ein Mittelweg in dem Schlusse gefunden: »Zunächst will ich dem jungen Menschen mal aus der Patsche helfen, und für das andre mag dann der Himmel sorgen.«
    Alle selbstsüchtigen Gedanken nunmehr aus dem Sinne schlagend, richtete das ebenso sehr unbesonnene wie mutige Mädchen ihren ganzen Sinn auf die Ausführung des Gedankens, den jungen Ritter zu befreien.
    Noch kaum ein Viertelstündchen war verflossen, seit der Unterprior die Eßstube verlassen hatte, als Mysie auch schon ihren Plan fertig hatte. Kühn war er freilich, aber er versprach Erfolg, sobald er mit der richtigen Vorsicht ausgeführt wurde. Vor allen Dingen war es notwendig, daß sie das Kämmerchen, in welchem sie sich befand, nicht früher verließ, als bis sich alles im Turme zur Ruhe begeben hatte, die Wachen natürlich ausgenommen. Die Zwischenzeit benützte sie dazu, das Verhalten des Mannes zu beobachten, zu dessen freiwilligem Champion sie sich aufzuwerfen gewillt war.
    Sie hörte, wie er in der Eßstube hin und her ging, wahrscheinlich in Gedanken vertieft über sein ungünstiges Schicksal und seine keineswegs ungefährliche Lage. Dann hörte sie ihn in seinen Koffern kramen, die ihm auf seinen Wunsch durch den Unterprior aus der Stube, die er bisher bewohnt hatte, geschickt worden waren. Wahrscheinlich suchte er, so dachte das Mädchen bei sich, durch solche Beschäftigung sich von seinen trübsinnigen Betrachtungen Ablenkung zu verschaffen. Dann hörte sie ihn deklamieren, dann ein Liedchen trällern, dann den Takt zu einem Tanze summen, und hieraus schloß Mysie, daß es ihm gelungen sein möchte, seinen Sinn durch die Beschäftigung mit seiner Garderobe aufzuheitern. Zuletzt hörte sie, wie er sich auf sein Lager warf, das man ihm für die nächste Nacht zurecht gemacht hatte, wie er ein paar Gebetsworte vor sich hin brummte, und nach kurzer Zeit gewann sie den Eindruck, daß er eingeschlafen sein müsse.
    Nun betrachtete sie ihr Vorhaben von allen Seiten, und so große Gefahr damit auch verbunden sein mochte, so half ihr der ruhige Blick, den sie für alles hatte, doch auf die richtigen Mittel und Wege zur Ausführung. Wirken ja Mitgefühl und Liebe an sich schon mit außerordentlicher Macht auf jedes weibliche Gemüt!
    Es war ungefähr eine Stunde nach Mitternacht. Bis auf die den Gefangnen bewachenden jungen Leute schlief alles im Turme, sogar die Witwe und Mary Avenel waren von dem schweren Kummer, der an ihrem Herzen nagte, so niedergedrückt, daß sie für

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