Das knallrosa Tagebuch: Das knallrosa Tagebuch
zeigte ihm die Schnittwunde. Dann hat Jeff sein Hemd hochgehoben und ihm den riesigen Bluterguß auf dem Rücken gezeigt; den hat er abbekommen, als Papa ihn gegen die Wand geklatscht hat. Papa zuliebe hätte ich auch an meinem lockeren Zahn gewackelt, aber das war nicht mehr nötig.
Papa hat die Hände vors Gesicht geschlagen und zu weinen angefangen. Jeff und ich waren ratlos. Mama sah aus, als hätte sie ihn am liebsten umarmt, doch sie rührte sich nicht vom Fleck und sagte nur: »Wir wollen alle, daß du wieder gesund wirst. Aber nicht zu Hause.«
Wir standen da, blickten Papa an und warteten darauf, daß er etwas sagt. »Es tut mir so leid. So furchtbar leid«, hat er schließlich gestammelt.
30. Dezember
Heute war eine Frau aus Riverbrook da, um mit Papa zu sprechen. Mama sagt, er war mit dem meisten einverstanden. Sauer wurde er nur, als die Frau ihn über die Hausregeln aufgeklärt hat. Wahrscheinlich sind sie ziemlich streng. Er hat die Frau wütend gefragt, wozu er einen Babysitter braucht. Dann wollte er sie rausschmeißen. Aber Mama hat ihn beruhigt und ihm gesagt, daß es die einzige Möglichkeit ist. Mach einer Weile hat Papa dann die Papiere unterschrieben. Er sagte zu der Frau, daß er Hilfe braucht und daß er sein Bestes tun will, damit es auch was bringt. Morgen läßt er sich einweisen.
Vielen Dank, lieber Gott.
20:55
Mag hat gerade angerufen. Sie kommt in drei Tagen zurück. Ihre Großeltern sind zwar beide cool, aber sie machen sie »rasend«. Ich habe ihr von Papa erzählt. Sie meinte, sie weiß nicht, was schlimmer ist - ein toter Vater oder einer, der gerade so etwas durchmacht wie meiner.
Ich habe geantwortet, daß mir tot lieber wäre.
31. Dezember
Heute ist Papa nach Riverbrook gefahren. Mama hat ihn hingebracht. Sie erzählt, daß er auf der Fahrt ganz ruhig war. Er hat nur benommen aus dem Fenster geschaut und kein Wort gesprochen. Sie hat auf ihn eingeredet, daß es das beste für ihn sei, aber er wirkte richtig verängstigt. In Riverbrook hat eine nette Frau Papa in einen Schlafsaal geführt, wo außer ihm noch neun andere Leute pennen. Sie müssen sich einen Fernseher teilen. Hoffentlich stehen die anderen neun auf Western.
Wie soll Papa ohne seine »Bonanza«-Wiederholungen leben?
Jetzt ist Mama in ihrem Zimmer. Als ich vorhin reinkam, saß Jeff neben ihr auf dem Bett. Sie hat seine Haare gestreichelt und ganz leise gesprochen. Ich setzte mich auf die andere Seite, und sie hat mir auch die Haare gestreichelt. Ein schönes Gefühl. Ich bin ganz nah an sie heran, um zu verstehen, was sie sagt. Sie sagte: »Ich glaube, ich schaffe es nicht.«
1. Januar
Posit Neujahr ... Nebenan lief eine wilde Party, die bis zum Morgen dauerte. Geschrei und Gelächter. Aber ich war sowieso nicht müde. Ich bin wach gelegen und habe an Papa gedacht. Daran, wie es so weit mit ihm gekommen ist. Zuerst habe ich mir die Schuld gegeben, dann Mama. Dann Carol. Dann kam mir der Gedanke, daß Papas Leben von Anfang an zum Scheitern verurteilt war. Er wollte nie mehr als das, was er in Tranten Township bekommen kann (Alkohol und Langeweile), und das hat ihm schließlich den Rest gegeben. Diese Gedanken haben mich sehr traurig gemacht. Ich muß mehr wollen, als ich im Moment habe, sonst ergeht es mir genauso. ICH. WILL. MEHR.
2. Januar
Mag ist wieder da!!! Heute abend kam sie vorbei, und ich habe ihr alles erzählt, was passiert ist. »So ein Mist«, wiederholte sie ständig. Sie hat mir ein Stück Whiskeytorte mitgebracht, die ihre Großmutter gebacken hat. Sie roch verdammt gut. Wir wollten sie essen, aber Oma hat daran geschnüffelt und sie in den Müll geworfen. Sie meinte, wir hätten sowieso schon genug Probleme. Es würde ihr gerade noch fehlen, daß ich von einem Stück Kuchen einen Rausch bekäme.
Dann kamen Jeff und Marsha, und wir haben Monopoly gespielt. Als Marsha den Südbahnhof kaufte, ging Jeff auf sie los! Er hatte die übrigen drei Bahnhöfe und brauchte den vierten, um Miete kassieren zu können, aber Marsha hat ihn ihm weggeschnappt. Sie hat mit der Karte vor seiner Nase rumgewedelt und ihm die Zunge rausgestreckt. Jeff raufte mit ihr, bis sie auf dem Boden lag und versuchte sie dort festzunageln. Aber Marsha schleuderte ihn weg, daß er durchs ganze Zimmer geflogen ist. Mag und ich haben zugeschaut und gelacht. Als Mama reinkam, fragten wir, ob sie mitspielen will. Aber sie sagte: »Nein danke« und lächelte Marsha an. Marsha hat zurückgelächelt. Morgen fängt die Schule wieder an.
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