Das knallrosa Tagebuch: Das knallrosa Tagebuch
hin?
27. Dezember
Marsha hat Jeff und mich heute ins Krankenhaus gefahren, um Papa zu besuchen. Er war an einen Plastikbeutel angeschlossen und hat uns nicht erkannt. Ich wollte »Hallo« sagen, aber er hatte die Augen zu, und seine Lippen zitterten. Er fing an zu erzählen, daß ihm sein Vater kein Fahrrad kaufen wollte, als er noch ein kleiner Junge war. Also hat er das Geld selbst verdienen müssen und dann ein Gebrauchtes gekauft. In drei Tagen hat er ganz allein fünf Klafter Holz kleingesägt und aufgestapelt. Nachdem wir Papas Gelaber ein paar Minuten angehört hatten, ist Jeff aufgestanden und rausgegangen. Ich bin ihm gefolgt.
Jeff hat kein Wort mit Marsha und mir geredet, bis wir losgefahren sind. Als wir aus der Stadt waren, begann er zu weinen. Er preßte sein Gesicht gegen die Scheibe und schluchzte: »Papa hat mir nie was erzählt.« Marsha hat angehalten, den Arm um ihn gelegt und ihm etwas ins Ohr geflüstert.
Warum ist Mag nicht hier?
20:09
Oma ist ganz aufgeregt, denn Reverend Timmy Will hat heute während der Wunschgebetsstunde Papas Namen im Fernsehen erwähnt. ln der Karte, die sie ihm geschickt hat, wünschte sie sich, daß er ganz fest für Papa betet, und das hat er auch getan. »Gott segne Jason, Joe, Jonathon, und so weiter«, hat er gesagt. Oma war ganz aus dem Häuschen, weil Reverend Timmy bis jetzt noch HIE beim Wunschgebet den Namen »Jonathon« erwähnt hat. Sie ist überzeugt, daß er irgendwie ihre Karte bekommen hat. Gleich nach der Sendung hat Oma im Krankenhaus angerufen und sich nach Papas Zustand erkundigt. Unverändert.
28. Dezember
Oma hat heute mit ihrem Pfarrer über Papa gesprochen. Er sagt, es gibt weiter draußen auf dem Land eine Einrichtung namens Riverbrook, wo Leute vom Alkoholismus geheilt werden. Wenn es sein muß, werden Notfälle sofort aufgenommen. Oma hat ihn überredet, anzurufen und zu sagen, daß wir einen echten Notfall haben. Jetzt schicken sie übermorgen jemanden zu Papa, um mit ihm zu sprechen. Papa muß diesem Menschen zeigen, daß er sich wirklich helfen lassen will. Ich weiß nicht, wie sie ihn dazu bringen wollen.
Als Mama und Marsha vom Krankenhaus heimkamen, hat Oma ihnen davon erzählt. »Niemals«, hat Mama gesagt, und dann hat sie Oma gebeten, sich da rauszuhalten. Sie erklärte, daß Papa wieder bei Bewußtsein ist und weiß, was um ihn herum passiert. Bald kommt er wieder nach Hause. Sie brauchen keine fremde Hilfe, um dieses Problem zu lösen.
Mama wollte schon ins andere Zimmer gehen, als Oma sie am Arm festhielt und sagte, daß es die einzige Möglichkeit ist. «Das finde ich auch«, hat Marsha ganz ruhig gemeint. Oma hat mindestens so überrascht ausgesehen wie Mama, weil Marsha etwas gesagt hat. Jetzt sitzen sie in der Küche und reden.
Oma und Marsha ziehen an einem Strang? Daß ich das noch erleben darf ...
19:37
Mama hat eben mit einem Mann aus Riverbrook telefoniert. Er hat ihr alle möglichen Ratschläge gegeben. Wir sollen Papa sagen, daß wir ihn lieben, aber der Meinung sind, daß er Hilfe braucht, bevor er wieder nach Hause kommt. Der Mann meint, Papa muß freiwillig nach Riverbrook. Wir können ihn nicht dazu zwingen. Hoffentlich klappt es.
29. Dezember
Heute morgen, gleich zu Anfang der Besuchszeit, sind wir alle zu Papa gefahren. Er sah schwach und blaß aus. Als wir reinkamen, versuchte er zu lächeln und fragte uns, ob es irgendwelche Neuigkeiten gibt. »Nichts«, sagte Mama. Oma hat ein Gesicht gezogen und ihr die Broschüre von Riverbrook in die Hand gedrückt. Papa wollte wissen, was los ist, und Mama hat ihm die Broschüre gezeigt.
Papa hat die Krise gekriegt. Er hat die Broschüre auf den Boden geschmissen. »Ich schaff' das allein«, schrie er. Wir waren lange still, und dann meinte Mama: »Vorher brauchst du gar nicht erst nach Hause zu kommen.«
Papa sah verwirrt aus, so als hätte er sie nicht richtig verstanden. Also hat ihm Mama erklärt, daß wir ihn nicht bei uns haben wollen, solange er mit seinem Alkoholproblem nicht klarkommt. Papa blickte Jeff und mich ungläubig an. Anscheinend erwartete er von uns, daß wir ihr widersprechen. Aber Jeff und ich haben den Kopf geschüttelt. Das hat Papa gar nicht gefallen. Er fing an zu toben und brüllte, daß er uns nicht braucht und daß wir hingehen können, wo der Pfeffer wächst. Er wollte uns rausschmeißen.
Aber Mama hat gesagt, sie will ihm erst was zeigen. Etwas, das er uns angetan hat, als er betrunken war. Dann nahm sie das Pflaster von der Stirn und
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