Das knallrosa Tagebuch: Das knallrosa Tagebuch
betrachtet habe, wurde mir klar, daß ich zu ihnen gehöre. Ich habe die Ähnlichkeit überall in meinem Gesicht gesehen. Ich bin ausgestiegen, habe mich zu ihnen gestellt und war froh.
Als wir wieder fuhren, wollte Oma wissen, was ich in diesem Sommer gelernt habe.
Ich wußte, sie erwartet von mir, daß ich ihr jetzt Bibelverse runterbete. Oder eine Geschichte aus der Bibel wiedergebe. Aber das hätte mit dem, was ich wirklich gelernt habe, nicht das Geringste zu tun gehabt.
Plötzlich habe ich zu singen angefangen. Laut und kräftig. Und richtig. Niemand hat mich fassungslos angesehen. Sie haben meinen Gesang ganz normal gefunden, als hätten sie die ganze Zeit gewußt, daß ich es Kann. Mama und Oma haben mitgesungen. Papa war zuerst ruhig. Aber nach einer Weile hat er auch gesummt. Ich weiß den Namen des Liedes nicht mehr und auch nicht warum wir alle die Melodie kannten. Doch wir haben gemeinsam gesungen. Und wir klangen gut.
Als wir über die Stadtgrenze von Tranten Township Kamen, wurde mir klar, wie leicht mir das Wegfahren beim nächstenmal fallen wird. Man muß nur beschließen, es zu tun. Mehr wollen, als ich jetzt habe. Und wenn die Sehnsucht zu groß wird, werde ich allein losziehen. Ich werde mir einen Weg einfallen lassen. Es ist so leicht, wie eine Linie auf der Straße zu überqueren.
Wir sind durch die Stadt gekommen, und ich fand es komisch, daß sich nichts verändert hat. Ich habe das Gefühl, daß ich eine Ewigkeit weg war, und alles sah noch genauso aus wie vorher. Dann ist mir eingefallen, daß sich sämtliche Veränderungen in mir selbst abgespielt haben. Und es war nicht nur meine Stimme. Ich habe noch lauter gesungen.
Beim Abendessen hat Mama mich dauernd angesehen. Ständig hat sie mich an der Schulter angefaßt, als ob sie es nicht glaubt, daß ich wirklich da bin. Papa lachte und meinte: »Du meine Güte, er war doch nur zwei Monate weg.« Ich habe auch gelacht. Als Papa und Oma später das Geschirr abräumten, ist Mama am Tisch sitzengeblieben und hat mich angeschaut. Sie sagte, daß ich »so anders« aussehe. »Ich fühle mich auch anders«, antwortete ich.
Sie lächelte. »Ich bin erleichtert«, meinte sie. Dann hat sie mich geküßt und gesagt: »Ich wußte immer, daß du dagegen ankämpfen kannst. Man schafft alles, wenn man es nur richtig will.«
Thema erledigt. Ich habe es mir geschenkt, ihr zu erklären, daß sie mich falsch verstanden hat. Sie will es sowieso nicht hören. Außerdem bin ich eben erst nach Hause gekommen und will mich nicht gleich wieder streiten. Für Erklärungen ist noch viel Zeit.
20. August
Heute morgen hat Oma mir ein gesticktes Wandbild geschenkt, das sie für mich gemacht hat. »WAHRHAFT GESEGNET IST, WER VERZEIHT«. Ich fragte sie, in welchem Buch der Bibel dieser Vers steht, und sie sagte, daß er nicht aus der Bibel stammt. Sie hat ihn sich selbst ausgedacht. Sie möchte, daß ich ihn über mein Bett hänge und jeden Morgen beim Aufwachen darüber nachdenke.
Dann hat sie mir gezeigt, wie sie meinen Schrank umgeräumt hat. Als ich sah, daß sie meine alten Zeitschriften weggeschmissen hat, bin ich ein bißchen sauer geworden. Außerdem hat sie auch Papiere weggeschmissen, die ich eigentlich aufheben wollte. Ich wollte schon einen Streit anfangen, als sie mich fragte, ob ich nächsten Sonntag mit ihr in die Kirche gehe. »Klar«, habe ich gesagt.
Am liebsten hätte ich mit ihr über Timmy Will geredet. Was ist in ihr vorgegangen, als sie von dem Skandal erfahren hat? Aber dann dachte ich, daß ich damit nur Salz in offene Wunden reibe. Sie hat für sich eine Lösung und ihren Seelenfrieden gefunden. Mehr wollen wir doch alle nicht.
Als sie weg war, habe ich das Wandbild im Flur aufgehängt, damit es alle sehen und darüber nachdenken
Können. Wir müssen einander soviel verzeihen. Vielleicht bringt uns das Bild auf den richtigen Weg.
18:37
War gerade im Laden, um Chips zu kaufen. Als ich am friseurladen vorbeikam, sah ich, wie Mr. McPheran Les Numer die Haare geschnitten hat. Die beiden haben gelacht und sich unterhalten. Les hat angegeben wie eh und je. Anscheinend hat der Kurzbesuch im Jugendknast nicht viel bei ihm bewirkt. Inzwischen kann er sich wieder in der Stadt blicken lassen. Fast wäre ich reingegangen, um ihn zu fragen, was Kuprekski so macht, aber ich habe es lieber gelassen.
Einige Leute fallen eben immer auf die Füße. Anscheinend werden manche Verbrechen leichter verziehen als andere.
21. August
Mag hat eben angerufen! Sie ist
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