Das Knistern in den Sternen: Roman (German Edition)
er enthält so viele Monate, doch dann ist es eines Morgens Anfang April. Ein Morgen, wie man ihn kennt: Kein Wölkchen am Himmel, kein Lüftchen regt sich, die Luft ist so klar, dass es schwer fällt, klar zu denken, und alles scheint Gefahr zu laufen, sich in Poesie zu verwandeln. Sie stehen am Ufer.
Urgroßmutter und Urgroßvater.
Zehn Tage später setzen sie mit einem Küstenschiff über den tiefen Faxaflöi. In Arnarstapi gehen sie an Land. Das ältere Mädchen schaut über die große Meeresbucht zurück, es ist wütend, wollte keinesfalls umziehen. Es weint und verflucht seine Eltern.
Luftschloss mit Weideland
Urgroßvater hätte auf Snæfellsnes einen Bauernhof in Kommission verkaufen sollen. Das war an sich nichts Ungewöhnliches, in den letzten beiden Jahrzehnten hatte er Dutzende solcher Höfe verkauft, eben wie es in seiner Annoncestand:
Größtes Angebot und reichhaltigste Auswahl
an Immobilien, Baugrundstücken, Häusern
(besonders in Reykjavik)
und Grundbesitz in sämtlichen Landesteilen
(vor allem im Süd- und im Westland).
Und an jenem Hof war nichts Besonderes; er war mittelgroß, das Wohnhaus noch einigermaßen neu (aus Holz), recht ergiebige Fischgründe in der Nähe. Nichts Besonderes, trotzdem erwachte er mitten in der Nacht, völlig besessen von dem Wunsch wegzuziehen, Land und einen Hof zu kaufen und Bauer zu werden. Bar3astadir. Urgroßvater wiederholte den Namen wie ein Gebet. Am nächsten Tag erwarb er den Hof für alles, was er besaß, die Kellerwohnung und ein Grundstück, das er wie ein Sparbuch versteckt hatte. Danach geht er zu Gisli und malt ihm all die Morgen aus, die ihn dort im Westen erwarten: »Man kommt aus dem Haus, rundum liegt noch alles im Schlaf, und da stehen die Berge. Abends rauchst du eine Zigarre mit den Sternen. Du siehst alles in klarem Licht.«
Voller Freude kam Urgroßvater nach Hause und verstand die Welt nicht mehr, als seine Frau einen Tobsuchtsanfall bekam; ein Bar3asta5ir interessiere sie nicht die Bohne, ihr gefalle es in der Óðinsgata und auf ihrer Arbeit. Er versuchte, seine ganze Beredsamkeit und Überzeugungskunst aufzubieten, aber damit goss er nur noch Öl ins Feuer. Es wurde Abend, es wurde Mitternacht, sie lagen stumm nebeneinander im Bett. Plötzlich sagte er ohne nachzudenken und in leiser Verzweiflung: »Du wärst auch wieder näher bei deinen Verwandten.« Da spürte Urgroßmutter, wie tief in ihrem Innern etwas knackte.
Sie setzten über den bleigrauen, übermäßig breiten Faxafloi. Urgroßvater fürchtete die Tiefes des Meeres mehr als die eigene Schwäche.
Ich werde vielleicht noch an dich denken
Sie brauchen ungefähr sechs Stunden von Arnarstapi bis zu ihrem Hof, er liegt noch weiter draußen auf der Halbinsel. Urgroßvater erhält vier Pferde geliehen. Eines belädt er mit ihren Habseligkeiten, Lebensmitteln, Decken, Bettzeug, Großvater setzt er vor sich auf das zweite, Urgroßmutter nimmt das jüngere Mädchen zu sich, und das ältere besteigt das vierte Pferd. Sie hat seit einer Woche nicht mehr mit ihren Eltern geredet, auf nichts geantwortet. »Sie kriegt sich schon wieder ein«, sagt Urgroßvater sorglos. Er sitzt mit Großvater auf einem Grauen, der dem Vorbesitzer von Barcfastaofir gehörte. Schon sechsmal ist er wieder dorthin entlaufen. »Lass ihn einfach laufen, und ihr werdet euer Ziel nicht verfehlen«, haben die Leute in Arnarstapi zu Urgroßvater gesagt. Sechs Stunden bei gemächlichem Tempo. Nach zwei Stunden beginnt es zu regnen. Ohne Unterlass strömt der Regen herab. Die Farben verblassen, die Berge lösen sich auf und verschwinden, alles verschwindet, bis auf den Regen und sie. Urgroßvater legt Großvater eine Decke um, drückt ihn an sich und singt ihm alte Lieder vor, Großvater döst ein. Das Rauschen des Regens, die langsamen Bewegungen des Pferdes, die verschwimmenden Umrisse der Welt, der Geruch der Decke, Urgroßvaters Gesang, sein schützender Arm – diese Erinnerangen sollten Großvater sein Leben lang begleiten. Als er mir davon erzählte, blickte er mit einem weichen Gesichtsausdruck in unbestimmte Ferne.
Großvater nickt ein, schläft und wacht erst wieder auf, als ihn jemand vom Pferd hebt. Der Regen drischt auf das Haus ein, das vor ihnen steht. Ein zweigeschossiges, noch recht neues Holzhaus. Eine große Stube, die Küche und das Zimmer des Hausherrn im Erdgeschoss, drei Schlafzimmer in der oberen Etage. Sie treten ein, sperren den Regen aus, der wütend auf den Boden trommelt. Kurze Zeit
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