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Das Knistern in den Sternen: Roman (German Edition)

Das Knistern in den Sternen: Roman (German Edition)

Titel: Das Knistern in den Sternen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jón Kalman Stefánsson
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verschlingt!«

»Hier ereignet sich etwas Großes«
    Ein hölzerner Stuhl und ein alter Pferdekarren, das war alles, was die früheren Bewohner zurückgelassen hatten. Die neuen spannen das graue Pferd ein und transportieren die Möbel auf dem Karren zum Haus. »Solche Dinge muss man selbst in die Hand nehmen«, erklärt Urgroßvater auf die Frage, warum die Matrosen die Sachen nicht den ganzen Weg tragen durften.
    Kräftige Kerle, diese Matrosen, und einer von ihnen hatte den Oberkörper frei gemacht.
    »Man muss seine Möbel selbst ins Haus tragen«, wiederholt Urgroßvater, »das muss so sein.« Er redet nur noch in Verkündigungen in diesen ersten Tagen auf Snæfellsnes, als stünde er auf einer Bühne oder würde eine Welt erschaffen. Sie inspizieren die Außengebäude, da muss einiges bedacht, einiges repariert werden. Morgens und abends ist die Kuh zu melken, irgendwann lammen die Schafe, es gibt viel zu tun. Urgroßvater sitzt im Schlafzimmer am Fenster und schreibt Gisli einen Brief, der Gletscher ragt weiß über die Berge empor. Urgroßmutter verlässt mit Werkzeug das Haus, er beugt sich über das Blatt und schreibt:
    »Lieber Freund, hier ereignet sich etwas Großes. Jeden Tag setzt du dich mit dir selbst auseinander. Hier erlangst du die Orientierung zurück. Hier gibt es keinen Zeitgeist. Die Berge haben keine Ahnung, welches Jahrhundert gerade herrscht. Zu jeder Stunde kämpfst du mit der Natur und bekommst Schwielen an den Händen. Ja, Schwielen an den Händen zeugen davon, ob du gelebt hast oder nicht!«
    »Was willst du mit dem Boot anfangen?«, fragt Urgroßmutter am dritten Tag.
    Urgroßvater holt tief Luft: »Ich will mit der See kämpfen. Ich werde zum Fischen hinausrudern. Ein Mann muss allein zurechtkommen.«
    »Aber du hast doch Angst vor dem Wasser.«
    »Angst! Pah! Ich habe auch Angst vor Träumen und gehe doch jeden Abend schlafen.«
    »Soso.«
    »Du lächelst über mich, aber Angst ist dazu da, überwunden zu werden. Je größer der Sieg, desto größer der Mensch.«
    Urgroßvater geht zum Strand hinab. Großvater und die kleine Schwester haben die große überreden können, das Boot für sie umzudrehen, und sie befinden sich gerade in höchster Seenot, als ihr Vater kommt, Piraten und Sarazenen greifen an, beide haben schon den linken Arm verloren. »Na, dann«, sagt der Vater, betrachtet das Boot, streicht darüber, klopft gegen die Planken und schaut lange aufs Meer hinaus. Dann geht er zum Hof zurück und kontrolliert die Netze. Sie liegen im Schuppen in einem Haufen, und er entwirrt sie. Danach trinkt er erst einmal Kaffee, unterhält sich mit seiner Frau, und schon geht es auf Abend zu. Er verschiebt die Jungfernreise. Am Tag darauf regnet es. Alle bleiben im Haus. Es ist sehr geräumig für ihre Möbel. Viel Platz zwischen ihnen. »So geht das nicht«, verkündet Urgroßvater gegen Mittag. Da hat es aufgehört, zu regnen. Er reitet nach Arnarstapi, um die Pferde zurückzugeben und den Brief an Gisli aufzugeben. Ein Blatt legt er noch bei, darauf steht:
    »Freund, schick mir eine Kommode und zwei bequeme Sessel. Es soll sich angenehm in ihnen denken lassen. Die Kommode kann ruhig gebraucht sein, wir streichen sie neu. Aber könntest du, Bruder, auch ein Harmonium mitschicken? Ich kann nicht alles gleich bezahlen, aber du weißt ja, dass ich dir das Geld später zurückgebe, das Harmonium aber müssen wir haben! Ohne geht es jedenfalls nicht. Du solltest wissen, wie viel Musik in diesen Bergen hier steckt. Gott segne dich, Bruder und Freund! Komm uns doch einmal besuchen! Bedeutende Dinge gehen hier vor.« Urgroßvater trifft mit dem rothaarigen Kapitän eine Verabredung, dass er sie jeden zweiten Monat mit dem Lebensnotwendigen versorgen soll. Das sollte reichen. Der Vorbesitzer hatte eine kühle Vorratskammer angelegt, darin halten sich die Nahrungsmittel. »Ach, übrigens, wo könnte ich wohl ein Pferd erstehen?«
    Er kauft den Grauen, einen kräftigen, großen Wallach mit Heimweh nach seinem Stall. Doch gerade als Urgroßvater losreiten will, erblickt er in der Nähe ein weiteres, dunkles Pferd, ein edles Prachtstück, das sieht man schon von weitem, mit stolzem, unbändigem Temperament. Urgroßvater wendet sein ganzes Rednertalent und all seine Überzeugungskünste auf und bekommt den Rappen am Ende gegen die Versicherung, ihn »baldigst« zu bezahlen. Dann reitet er nach Hause; den Grauen wie ein Bleigewicht im Schlepptau.

Pass auf, dass dir nicht kalt wird
    Die Tage

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