Das Knochenhaus
Deckels mit etlichen Reihen von Hieroglyphen geschmückt, die in den Stein gemeißelt worden waren.
»Das wird nicht einfach sein«, bemerkte Kit. »Das Ding muss zwanzig Tonnen wiegen. Wie werden wir das nur hochheben können?«
»Gib mir einen Punkt, auf dem ich stehen kann, und ich werde dir die Welt aus den Angeln heben!«, erwiderte Thomas. »Archimedes.« Er ging neben dem gewaltigen Granitbehälter in die Hocke und fuhr mit dem Finger die Fuge entlang, die den Deckel mit dem Rest des Sarkophags verband. »Wir werden auch Keile und Seile benötigen.«
Nachdem sie rund um das große steinerne Behältnis Lampen aufgestellt hatten, begannen die Arbeiter, ihn mit Hebeln und Holzkeilen zu öffnen. Zunächst setzte ein Trupp Arbeiter zwei Hebel, nur wenige Zoll voneinander entfernt, in die Fuge, hoben eine Ecke des Deckels ein wenig an und verharrten in dieser Position, während einer ihrer Kollegen mit dem Hammer einen Keil in den Spalt hineintrieb. Dies wurde ein ums andere Mal entlang der rechten Seite des riesigen Steindeckels wiederholt. Als sie damit fertig waren, begann sie an der nächsten Seite mit dieser Arbeit, wobei sie nun den Deckel ein bisschen mehr anheben und die Keile etwas weiter hineintreiben konnten.
Nachdem sie in drei Durchgängen den Sarkophag auf diese Weise mit Hebeln und Hämmern bearbeitet hatten, war es ihnen gelungen, den schwergewichtigen Deckel aus rotem Granit ein paar Zoll anzuheben. Seile wurden nun um die Deckelmitte gebunden und ihre Enden nach oben zu den Leuten mit den Mulis gebracht, die mit ihrer Kraft die kostbare Platte sichern sollten. Erneut wurden Hebel eingesetzt, um den verzierten Deckel ein wenig höher zu stemmen – weit genug, um noch größere Keile in die Lücken zu treiben und die Platte zur Seite schieben zu können. Stück für Stück hob und verschob sich der Deckel, bis er mit einem leisen mahlenden Geräusch, das wie das Grollen eines entfernten Gewitters klang, wegzugleiten begann. Die Seile wurden straff, als die Mulis die Last hielten. Khalid hetzte zum Eingang der Kammer und rief Khefri Anweisungen zu, die er den Muli-Treibern mitteilen sollte. Langsam, unendlich langsam – und mit knirschenden Klagelauten von Seilen und Holz –, neigte sich der massive Steindeckel und glitt ein Stück weit fort. Doch mit einem Mal riss eines der Seile. Der Stein schwenkte zur Seite, geriet ins Taumeln, und mit einem donnernden Geräusch, das den Boden unter ihren Füßen erbeben ließ, krachte der Deckel auf die Erde.
Es wirbelte noch immer Staub durch die Luft, als Kit, Thomas, Khalid und die Arbeiter in der Nähe nach vorne sprangen, um einen ersten Blick in das Innere des Sarkophags zu werfen. Jegliche Hoffnung auf juwelenbesetzte Schätze oder goldene Verzierungen wurde rasch enttäuscht. Denn im Innern befand sich ein zweiter Sarkophag aus Kalkstein, der reich bemalt war und den verstorbenen Hohen Priester in seinen zeremoniellen Gewändern darstellte. Der Deckel dieses zweiten Sarkophags war erheblich leichter und konnte von den Arbeitern mit wenig Mühe angehoben werden. Sie enthüllten einen dritten Sarg: Er war ebenfalls bemalt, jedoch aus Holz.
Es brauchte nur einen Moment, um den dritten Deckel aufzustemmen. Zum Vorschein kam der mumifizierte Körper von Anen, straff umwickelt mit Leinenbinden, damit er dem Zahn der Zeit widerstehen konnte. Auf die Brust hatte man nicht, wie bei anderen Angehörigen einer hohen Kaste, juwelenbesetzte Verzierungen und zeremonielle Schmuckstücke gelegt, sondern nur ein einfaches Henkelkreuz aus Olivenholz, ein sogenanntes Anch – und nichts weiter. Dieses Kreuz mit einer Schlaufe war ein Symbol des Lebens und im alten Ägypten allgegenwärtig gewesen.
Kit lehnte sich über die Mumie und überflog das Innere des Sarges, sah jedoch weder Kisten noch Truhen, noch irgendeine Art von Bündel. Ein weiteres Mal fühlte er, wie die Vorfreude auf eine Entdeckung langsam dahinschwand und stattdessen die Trübsal der Enttäuschung aufzukeimen begann. »Nun, was denken Sie? Sollen wir ihn auswickeln?«, fragte er skeptisch.
»Dafür haben wir nicht die geeignete Ausrüstung«, antwortete Thomas. »Doch ich bezweifle, dass wir irgendetwas finden würden. Es tut mir leid. Ich befürchte, wir sind falsch unterrichtet worden.«
»Das glaube ich auch.« Kit, der sich angesichts der zerschlagenen Hoffnungen ganz elend fühlte, ging zu dem Gemälde hinüber, das den Priester darstellte, wie er in der einen Hand die Karte hielt und
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