Das Knochenhaus
mit der anderen auf den Stern zeigte. Was versuchte der alte Junge ihnen auf dem Bild zu erzählen?
»Kit Livingstone!«, rief plötzlich Khefri. »Schauen Sie nur. Die Kopfstütze!«
Thomas, der ebenfalls zum Gemälde gegangen war, kehrte zum Sarkophag zurück. »Was für scharfe Augen Sie haben, mein Freund«, flüsterte er. »Ich glaube wirklich, dass Sie recht haben ...«
Endlich drehte sich auch Kit um und sah, wie der Arzt und Khefri sich erneut über die Mumie beugten. Mit drei Sprüngen war er bei ihnen und beobachtete, wie Thomas seinen Arm nach unten streckte und neben der in Leinen gewickelten Leiche vorsichtig herumhantierte.
»Helfen Sie mir hier«, bat der Archäologe. »Heben Sie die Mumie an – sachte und ganz vorsichtig ... Ja, genau so ... Ich hab’s!« Er richtete sich wieder auf. In der Hand hielt er etwas Viereckiges, das in Leinen gewickelt war; es sah aus wie ein mumifiziertes Sofapolster. »Unser Freund Anen hat es als Kopfkissen benutzt.«
»Hierhin – lasst es uns nach draußen bringen, wo wir es besser betrachten können«, schlug Kit vor, der bereits zum Eingang eilte.
Draußen bei Tageslicht wurde das sorgsam eingewickelte Bündel genau untersucht, ob es irgendwelche äußeren Zeichen aufwies. Doch es gab keine. Die Leinenbinden waren von der gleichen Art wie jene, die man bei der Mumie eingesetzt hatte.
»Ich werde diesen Fund in meinem Bestandsbuch eintragen«, erklärte Thomas und ging zu seinem Arbeitsplatz unter dem Schutzdach. »Anschließend öffnen wir es.«
Wenn es nach Kit gegangen wäre, hätte er die Binden auf der Stelle weggerissen. Doch er stimmte zu und folgte dem Archäologen zum Tisch. Dort sah er mit wachsender Ungeduld zu, wie Thomas seinen Eintrag schrieb. Schließlich überreichte der Archäologe Kit ein Messer mit einer dünnen Klinge und das Paket, wobei er ihn ermahnte, sehr vorsichtig zu sein und sich Zeit zu nehmen, damit er nicht das fragile Artefakt beschädigte.
Mit zitternden Fingern schnitt Kit die oberste Bindenschicht auf und begann, die langen, schmalen Streifen abzuwickeln.
Er entfernte eine Schicht nach der anderen – es waren insgesamt sieben –, und nach jeder wuchs seine Aufregung, bis er beinahe von einem Fuß auf den anderen hüpfte. Als die letzte Bindenschicht abgewickelt war, lagen vor ihnen auf dem Tisch zwei Holztafeln, die man mit einem Seil aus geflochtenem, rot gefärbtem Hanf zusammengebunden hatte. Die Tafeln waren aus Olivenholz, unbearbeitet und unlackiert, doch mit Kolonnen aus schwarzen Inschriften bedeckt – allerdings weder mit Hieroglyphen noch mit Schriftzügen irgendeiner anderen Sprache, die Kit jemals zuvor gesehen hatte.
Er leckte sich die Lippen. »Wissen Sie, um was für eine Schrift es sich hier handelt?«
Der Archäologe hob seine Brille hoch und beugte sich tief herab, um die Inschrift eingehend zu prüfen – so tief, dass seine Nase beinahe das antike Holz berührte. »Ich kann nicht behaupten, dass ich jemals zuvor auf sie gestoßen bin.« Er schnalzte mit der Zunge. »Leider Gottes habe ich nicht die geringste Ahnung, was es sein könnte.« Anschließend streckte er die Hand nach dem einfachen Knoten aus, mit dem das Seil zusammengebunden war, zögerte dann aber. »Ich glaube«, sagte er und schob die aneinander befestigten Holztafeln zu Kit hinüber, »dass Ihnen diese Ehre zukommen sollte.«
Mit trockenem Mund zog Kit an dem geflochtenen Seil. Es ging auseinander, als die uralten Fasern zwischen seinen Fingern zerrieben wurden. Er wischte die sich auflösenden winzigen Bruchstücke beiseite, hielt kurz die Luft an und hob die obere Holzplatte an. Dort lag – bedeckt mit einem viereckigen hauchzarten Leinentuch und zusammengepresst wie ein seltenes Pflanzenblatt zwischen den schützenden Seiten eines Sammelalbums – ein unregelmäßig geformtes Stück Pergament, das aufgrund seines hohen Alters fast durchsichtig war. Auf dem feinkörnigen Leder, das so dünn wie Spinnfäden und so zerbrechlich wie die äußere Hülle eines Skarabäus war, befanden sich – scheinbar wild verstreut – die herrlichsten eingestochenen dunkelblauen Symbole.
Bei diesem Anblick verschwand der Zweifel wie ein Schatten, der unter der Mittagssonne zusammenschrumpfte; und Kit wusste, dass er endlich die Meisterkarte gefunden hatte.
VIERTER TEIL
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EINUNDZWANZIGSTES KAPITEL
D ouglas Flinders-Petrie stand unterhalb des tropfenden Dachgesimses und bestaunte das Schauspiel. Er betrachtete Mädchen, auf deren Schultern
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