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Das Knochenhaus

Das Knochenhaus

Titel: Das Knochenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Lawhead
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kopfüber auf einen Pfad, der von Erlenblättern und Kiefernnadeln bedeckt war, sodass er relativ weich fiel. Sein Herz raste, das Blut pochte in seinen Schläfen, und er atmete stoßweise und keuchend. Er wappnete sich gegen den erwarteten Ansturm von Übelkeit, doch als sie kam, war sie nur ein leicht unangenehmes Kräuseln im Unterleib, das rasch wieder verschwand. Nicht schlecht , dachte er, vielleicht habe ich mich inzwischen daran gewöhnt.
    Einen Augenblick lang blieb er liegen und lauschte. Irgendwo unten vernahm er ein Sprudeln, und er konnte fließendes Wasser hören: möglicherweise ein Bach, der friedlich über glatte Steine schlüpfte und sanft dahinglitt – ein ruhiges, angenehmes Geräusch. Es vermischte sich mit den Vogelstimmen, die unregelmäßig aus den Bäumen in der Nähe erklangen, und augenblicklich fühlte sich Kit entspannt. Es gab weder sichtbare Hinweise noch Geräusche von einer Verfolgungsjagd auf ihn. Er hatte es geschafft, sich Burleigh und seinem Mob zu entziehen.
    Als Kit wieder deutlich sehen konnte, hob er den Kopf und schaute sich um. Ein Waldpfad, der in einem ziemlich steilen Winkel nach unten führte, lag schnurgerade vor ihm. Ihm direkt gegenüber erhob sich in der Ferne ein Vorhang aus grau-weißem Felsgestein mit grünen Tupfern aus Moos, Büschen und kleinen Bäumen – die senkrechte Wand einer riesigen Kalksteinschlucht, die ein paar Hundert Yards entfernt sein mochte. Das war – so befand er mit erheblicher Erleichterung – genau der Ort, über den Wilhelmina gesprochen hatte.
    Die Luft war frisch und kühl; die Sonne stand direkt über ihm, sah jedoch blass aus an einem Himmel, den ein silberner Dunstschleier bedeckte. Kit hatte das Gefühl, dass es Herbst war: Etwas am Geruch der trockenen Blätter und ein Dufthauch im leicht wehenden Wind erinnerten ihn an Oktober, einer der Monate, die er immer schon am liebsten mochte. Er stand auf und dachte: Nun heißt es, eine bequeme Stelle zu finden, wo ich warten kann, bis Mina aufkreuzt. Er schätzte, dass er nicht lange auf sie warten würde, als er an die Art und Weise dachte, wie das Mädchen mit der Zeit ein falsches Spiel trieb.
    Er blickte sich um und verschaffte sich einen raschen Überblick über die unmittelbare Umgebung. Dabei entdeckte er einen Felsvorsprung, der aus der abschüssigen Wand neben dem Pfad herausragte und trocken und flach war: ein Platz, der Kit so gut wie jeder andere erschien. Er ging dort hinüber, wischte die heruntergefallenen Blätter fort und setzte sich. Kit betrachtete die Ley-Lampe in seiner Hand: Sie war nun dunkel, und die anregende Wärme, die er zunächst noch an ihr fühlte, verschwand rasch. Es war eine faszinierende Vorrichtung, aus poliertem Messing hergestellt und mit einer Reihe kleiner Lichter versehen, die sich an einer sanft gewölbten Seite befand. Sie besaß die Größe und Form einer durchschnittlichen Kartoffel und hatte mehr als nur eine geringe Ähnlichkeit mit einer Gefäßflöte – einem dieser komischen kleinen Instrumente, die in den Musikklassen von Mittelschulen gerne eingeführt wurden. In die glatte Metalloberfläche waren kunstvolle, schnörkelhafte Linien eingeritzt, die von einem tastengroßen Drehknopf ausgingen; darüber befand sich ein etwas größeres, rundes Loch mit einer Kristalllinse. Kit widerstand dem Drang, am Knopf zu drehen und zu schauen, was dann wohl passieren würde. Stattdessen steckte er die Vorrichtung in seine Tasche zurück und ließ sich auf seinem steinernen Lager nieder. Bald schon kehrten seine Gedanken zu der entsetzlichen Verfolgungsjagd zurück, die er gerade hatte erdulden müssen: Burleigh auf seinem Pferd, das sich aufbäumende Tier, die Pistolenschüsse, der plötzlich auf dem Boden liegende Giles, der ihn zum Weglaufen drängte, die wahnsinnige Hetze durch den dunklen Wald entlang des Flusses, das Stolpern über den Ley ... Das alles war so schnell geschehen, dass er immer nur instinktiv gehandelt hatte.
    Jetzt, wo er Zeit zum Überlegen hatte, kam ihm der Gedanke, dass er wahrscheinlich extremes Glück hatte, überhaupt noch am Leben zu sein. Zudem hoffte er, dass Giles ebenfalls überlebt hatte und die Wunde nicht allzu schlimm war. Er fragte sich, wie Wilhelmina auf diesen Bruch in ihrem Plan wohl reagieren würde. Zweifellos hatte sie ein Mittel zur Verfügung, um den Bruch wieder zu kitten, und war bereits damit zugange.
    Es war ein warmer Tag; und nachdem Kit eine ganze Weile gewartet und dem Summen der Bienen

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