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Das Knochenhaus

Das Knochenhaus

Titel: Das Knochenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Lawhead
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ich Sie ab. Wir werden bei Sonnenaufgang aufbrechen.«
    »Ich werde bereit sein«, erklärte Kit. »Gute Nacht – und, Khefri, vielen Dank. Danke für alles. Es war genau das, was ich gebraucht habe.«
    »War mir ein Vergnügen«, antwortete der junge Ägypter. »Gute Nacht.«
    Khefri schlüpfte leise fort, während Kit ein paar der Kissen zusammenlegte und die leichte Decke ausschüttelte. In der Zeitspanne eines Tages – Ist es wirklich nur ein einziger Tag gewesen? – war er gefangen gehalten worden und hatte um sein Leben fürchten müssen, dann war er alleine durch die Wüste marschiert und hatte unter Hitze und Durst gelitten. Jetzt war hier: Angefüllt mit gutem Essen und Musik, genoss er die großzügige Gastfreundschaft von Menschen, von denen er sich vor diesem Abend niemals hatte vorstellen können, dass es sie überhaupt gab.
    Genau in dem Moment, als er sich ausstreckte und die Decke über sich zog, setzte der nächtliche »Hund-und-Esel«-Chor ein. Das Geräusch eines jeden Tieres löste den »Gesang« anderer aus, bis das gesamte Niltal von der Kakofonie aus Bellen und Schreien widerhallte.
    Da an diesem Ort der Schlaf die letzte Aktivität zu sein schien, der eine Kreatur nachgehen durfte, lag Kit einfach nur auf dem Rücken und starrte nach oben in einen Himmel, der im Glanze von sehr viel mehr Sternen erstrahlte, als er jemals an irgendeinem Firmament erblickt hatte. Die Milchstraße, die er in London niemals auf diese Weise zu sehen bekommen und die er anderswo in den meisten Fällen als dünnen Sternenstaub wahrgenommen hatte, war in der trockenen Atmosphäre von Ägypten ein strahlendes Band aus leuchtendem Nebel. Voll Staunen beobachtete er, wie dieses überwältigende Naturschauspiel an der schimmernden Himmelskuppel langsam kreiste: Es drehte sich majestätisch um den fixen leuchtenden Punkt des »Himmelsnagels« – um den Polarstern. Und obwohl der Mond erst recht spät aufging, warf das glänzende Sternenlicht, das vom wolkenlosen Firmament herabstrahlte, gut sichtbare Schatten auf die irdische Landschaft.
    Wie heiterhell ist dieses Reich aus Sternen? , sinnierte er. Welcher Dichter hatte das noch gesagt?
    Das grenzenlose Sternenfeld erstreckte sich in jede nur mögliche Richtung – allüberall voller Konstellationen, die er noch nie zuvor gesehen hatte und deren Namen er nicht wusste. Hier und da fiel ihm ein vertrautes Sternbild ins Auge, doch das schimmernde Firmament war ihm größtenteils unbekannt. All diese Sternenkonstellationen könnte nur jemand wissen, der seine bruchstückhaften Kenntnisse in Astronomie bei Weitem übertreffen würde – die Kit an seiner Mittelschule als Elfjähriger erlernt hatte, als er Mitglied des Sterngucker-Clubs gewesen war. Er hatte lediglich drei Versammlungen beigewohnt, bevor ihm die wahrhaft grundlegende Tatsache bewusst geworden war, dass die Beschäftigung mit diesem Hobby zumeist nachts in der Kälte stattfand, weil der Himmel im Winter am hellsten leuchtete. Jetzt erinnerte er sich nur noch an wenige der verschiedenen
    Sternenkonstellationen. Er entsann sich daran, dass er meistens von einem Fuß auf den anderen hüpfte und in seine Hände hauchte – in dem zwecklosen Bemühen, sich warm zu halten, während er darauf wartete, einen viel zu kurzen, flüchtigen Blick durch Mr. Hendersons Sechs-Zoll-Teleskop werfen zu dürfen.
    Er wünschte sich, dass er seine Studien in diesem Fachgebiet mit viel mehr Aufmerksamkeit betrieben hätte: ein Wunsch, den er in letzter Zeit auch mit Blick auf alle anderen Bereiche verspürt hatte.
    Dennoch – fuhr es ihm durch den Kopf – war es nicht zu spät, um noch zu lernen. Und er würde lernen. Er würde jemanden finden, der ihn unterrichten konnte. Falls dies misslänge, würde er irgendeinen Weg finden, um sich selbst zu unterrichten. Weil sein Leben aller Wahrscheinlichkeit nach davon abhing. Und wenn von dem, was Cosimo und Sir Henry geglaubt hatten, auch nur ein kleiner Teil der Wahrheit entsprach – über das, was jenseits dieser schimmernden Sterne lag –, dann hing möglicherweise sogar die Zukunft der Welt davon ab.
    Sein letzter Gedanke, bevor ihn der Schlaf übermannte, war, dass es stimmte, was Cosimo einmal gesagt hatte: Das Universum war weitaus merkwürdiger, als irgendjemand sich vorstellte – oder sich überhaupt vorstellen konnte .

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SECHSTES KAPITEL

    O bwohl sie sich verpflichtet fühlte, dagegen zu protestieren, dass man sie wie die Kaiserin von China in einer Sänfte trug,

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