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Das Knochenhaus

Das Knochenhaus

Titel: Das Knochenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Lawhead
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Pacha verbeugte sich und hastete davon.
    Turms zwinkerte Xian-Li zu. »Er ist ein überaus fähiger Hauswirtschafter, doch er vergisst immer wieder seinen Platz und muss häufiger daran erinnert werden, als es schicklich ist.« Er lachte. »Ein anderer König als ich hätte schon vor Langem seinen Kopf auf einen Pfahl setzen lassen. Doch ich mag ihn.«
    Während der Wein kredenzt wurde, unterhielten sie sich über Xian-Lis Heimatland. Turms hörte mit großem Interesse zu, denn ihm war zu Ohren gekommen, dass Händler begonnen hatten, chinesische Häfen aufzusuchen. Aber er hatte noch nie jemanden gekannt, der persönlich dort gewesen war – und noch viel weniger hatte er eine Einheimische aus jenem weit entfernten Reich gesehen. Er wollte wissen, wie die Herrscher ihres Landes auftraten, wie sie regierten, welche Kleidung sie trugen, was sie aßen und wie sie ihre Geschäfte führten. Während Arthur übersetzte, hörte der König genau zu, nickte hin und wieder und prägte sich die neuen Kenntnisse ein, die er erhielt.
    Als Arthur verkündete, er würde gerne auf dem Gelände rund um das Haus spazieren gehen und etwas von der Landschaft zu sehen bekommen, verlagerten sie ihr Gespräch nach draußen in die Haine und auf die Weinberge des königlichen Anwesens. Allmählich kamen sie auch auf den Grund des Besuchs zu sprechen.
    »Arturos hat mir erzählt, dass eure Reise durch eine Angelegenheit von einiger Bedeutung veranlasst worden sei.«
    »Was hat mein Ehemann sonst noch gesagt?«, erkundigte sich Xian-Li und blickte ein wenig missbilligend auf Arthur, während er ihre Worte dem König wiedergab.
    »Nur, dass eine Zeit, die für dich voller Freude und froher Erwartung hätte sein sollen, in irgendeiner Weise gestört worden ist. Auch hat er gesagt, er sei gekommen, um Rat zu suchen.« Turms blieb stehen, wandte sich ihr zu und lächelte. »Ich hoffe, dass ich dieses Vertrauen zurückzahlen kann.«
    Xian-Li schaute ihren Mann an, als er erklärte, was Turms gesagt hatte. »Mach weiter«, drängte Arthur sie. »Erzähl es ihm.«
    »Es ist so, wie mein Gatte gesagt hat«, begann Xian-Li und fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. »Ich habe ein paar Schwierigkeiten gehabt. Zweimal ist es mir gelungen, mit knapper Not eine Fehlgeburt abzuwenden. Danach jedoch schien es, als ob alles in Ordnung sei und sich so entwickeln würde, wie es sollte. Ich habe mich stark gefühlt, und meine gesundheitliche Verfassung ist sehr gut gewesen.«
    »Und jetzt?«, erkundigte sich Turms nach Arthurs Übersetzung.
    »Einen Monat ist es bereits her, dass ich zuletzt gefühlt habe, wie sich das Baby bewegt«, antwortete Xian-Li; ihre Stimme zitterte ein wenig, während sie sprach. »Ich habe Angst, das Kind könnte ... in Schwierigkeiten sein.«
    »Ach«, seufzte Turms, nachdem Arthur die Worte seiner Frau wiedergegeben hatte. »Ich verstehe. Du möchtest von mir, dass ich dir sage, ob dies der Wahrheit entspricht. Du wünschst zu wissen, ob der Säugling lebendig geboren wird ...« – seine Stimme senkte sich – »oder tot.«
    »Für etwas Geringeres hätte ich niemals unsere Freundschaft ausgenutzt«, erklärte Arthur. »Aber mir ist niemand eingefallen, der besser geeignet wäre als du, uns zu beraten und den rechten Weg zu weisen.«
    Turms wandte sich ab und begann, die Reihe ordentlich gepflegter Weinreben hinunterzugehen. An einer von ihnen blieb er unvermittelt stehen und nahm eine schwere Rispe mit blauschwarzen Beerenfrüchten in seine Hand. Er hob sie an und rieb mit seinen Fingern an den obersten Weinbeeren etwas von der weißen, wachsartigen Schicht auf der Schale ab.
    »Es tut mir leid, wenn wir –«, begann Xian-Li.
    Sie hielt inne, weil Arthur ihre Schulter berührte und mit dem Kopf schüttelte, damit sie schwieg.
    Sofort drehte sich Turms um und spazierte dorthin zurück, wo das besorgte Paar stehen geblieben war. »Natürlich werde ich euch meinen Rat geben. Ich wollte nur erkennen können, ob dieses Anliegen innerhalb des Bereichs vorhersehbaren Wissens liegt. Im Verlaufe meiner Zeit als König hat man mich um vielerlei Dinge gebeten, aber noch nie um so etwas.«
    »Und ist es etwas, das du vorhersehen kannst?«
    »Ich denke schon«, erwiderte Turms. »Auf jeden Fall habe ich die Macht, nach der Antwort zu suchen.«
    Sie setzten ihren Spaziergang durch die Weinreben fort und nahmen die Wärme und die Schönheit des Tages in sich auf. Xian-Li wurde bald müde, und sie kehrten zum Haus zurück, wo inzwischen die

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