Das Knochenhaus
Dann ergriff er einen Jungen, der in seiner Nähe stand, und sprach einen raschen Befehl, woraufhin der Bursche davonrannte. Anschließend wandte sich der Mann wieder Kit zu und fragte erneut: »Français?«
»Nein«, entgegnete Kit und gab den leeren Becher zurück.
Der Mann seufzte müde und resigniert. Danach standen alle nur da, schauten sich gegenseitig an und auch Kit, bis ein schlanker junger Mann in einem weißen Kaftan erschien.
»Hallo, Sir«, sagte er, nachdem er sich einen Weg durch die Menschenmenge gebahnt hatte. »Ich bin Khefri.«
»Sie sprechen also Englisch.«
Der junge Mann nickte ernst. »Wie heißen Sie, Sir?«
»Nennen Sie mich Kit. Kit Livingstone.«
»Wie können wir Ihnen helfen, Kit Livingstone?«
»Ich reise hier in dieser Gegend«, antwortete Kit. »Ich bin auf dem Weg nach Luxor. Kennen Sie irgendwo einen Ort, wo –«
»Sie sind zu Fuß unterwegs?«
»Ja.«
»Und Sie sind in der Wüste gewesen?«
»Ja, genau. Ich –«
»Sie sind zu Fuß in der Wüste gewesen?«
»Ja. Verstehen Sie, ich suche nach jemandem.«
»Sie suchen nach jemandem«, echote Khefri, dessen große dunkle Augen sich ungläubig verengten. »Und das zu Fuß in der Wüste?«
»Zufällig ja«, erwiderte Kit, den das Gefühl beschlich, dass diese Serie von Fragen noch eine ganze Zeit lang weitergehen könnte. »Aber jetzt bin ich auf dem Weg nach Luxor ...«
»Haben Sie Geld?«, erkundigte sich der junge Mann.
»Ein bisschen«, antwortete Kit. Wilhelmina hatte ihm eine Hand voll Münzen gegeben. »Nicht viel.«
»Das ist mein Vater«, sagte Khefri und wies auf den älteren Mann, der nun zur Begrüßung Kit anlächelte und ihm zunickte. »Er ist der Ortsvorsteher dieses Dorfes. Sie bleiben diese Nacht bei uns, und ich werde Sie morgen Vormittag nach Luxor bringen.«
»Großartig!«, rief Kit. »Einfach toll. Ich meine, herzlichen Dank.«
»Es ist uns ein Vergnügen. Der Preis beträgt sechs Piaster.« Khefri wechselte ein paar Worte mit seinem Vater, bevor er fortfuhr: »Sie sind eingeladen, nun mit uns zu kommen und eine Mahlzeit mit uns zu teilen. Mein Vater würde gerne mit Ihnen über Ihr England sprechen.«
»Es würde mich sehr freuen«, erklärte Kit, der sich bemühte, so charmant wie nur möglich zu sein. »Aber ich möchte Ihnen keine Umstände bereiten.«
»Das sind für uns keine Umstände«, erwiderte Khefri. »Gastfreundlichkeit ist eine Pflicht. Wenn Sie mir nun bitte folgen würden, dann kann ich Sie zu uns führen.«
Der dunkeläugige Mann drehte sich um und bahnte sich einen Weg durch die Schaulustigen. Dabei schrie er sie an, sie sollten Platz machen. Kit folgte ihm in seinem Kielwasser – eine Prozession, die alle Merkmale einer Zwei-Mann-Parade aufwies.
»Sie sprechen sehr gut Englisch«, hob Kit hervor, während er ein paar Schritte hinter seinem Führer marschierte. »Wo haben Sie die Sprache gelernt?«
»In meiner Schule«, antwortete Khefri. »Ich bin zu einer Missionsschule in Kairo gegangen. Die Brüder dort – sie haben mich gut unterrichtet.«
»Das kann ich nur bestätigen.«
»Vor zwei Jahren habe ich die Schule beendet. Jetzt arbeite ich in Luxor.«
»Was machen Sie?«
»Manchmal arbeite ich als Fremdenführer«, erwiderte der junge Mann. »Manchmal helfe ich meinem Vetter bei seinem Boot. Mein Vetter – er spricht Französisch. Wir helfen uns gegenseitig.«
»Ich verstehe.« Kit nickte anerkennend. »Gemeinsam also können Sie allen Fremden Ihre Dienste anbieten.«
»Hier ist unser Haus.«
Kit blickte auf und sah, dass sie vor dem größten Haus im Dorf standen. Angezündete Öllaternen hingen entlang des Hausdachs und beleuchteten eine ziemlich große Leinenmarkise.
Khefri führte Kit zur Eingangstür. »Kommen Sie bitte herein«, sagte er und schleuderte seine Schuhe von sich. »Sie sind unser Gast.«
»Danke«, erwiderte Kit und zog seine Schuhe aus. »Wenn ich fragen darf ... Welches Jahr haben wir?«
Khefri sah ihn eigenartig an. »Sie wollen wissen, welches Jahr wir haben?«
»Wenn das möglich ist.«
»Wir sind im Jahre 1238«, antwortete der junge Mann mit einem Achselzucken.
»Ach«, seufzte Kit, dessen Herz sank bei dem Gedanken, dass er offensichtlich ein gutes Stück über die Markierung hinausgeschossen und im mittelalterlichen Ägypten geendet war. Doch diese irrige Annahme wurde rasch gestürzt durch die nackten Tatsachen: die Missionsschule, die Öllaternen, der Beruf des Fremdenführers und alles andere.
»Entsprechend dem englischen
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