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Das Knochenhaus

Das Knochenhaus

Titel: Das Knochenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Lawhead
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Haven; wenn du darauf beharrst, wie ein Mann zu reiten, dann glaube ich, dass du verdienst, was auch immer dir durch das Schicksal widerfährt.«
    »Das Einzige, was mir heute voraussichtlich widerfährt, sind Schlammspritzer auf meinen neuen Stiefeln.« Sie hob den Saum ihres Kleides an und streckte einen wohlgeformten, gestiefelten Fuß vor, damit ihr Vater ihn begutachten konnte. »Gefallen sie dir?«
    »Ja, sehr hübsch. Doch du solltest verstehen –«
    »Nein, du solltest verstehen. Erwartest du wirklich, dass ich auf einem Damensattel in einem Samit-Kleid und mit einer Haube reite?«
    »Du glaubst, dies sei ein Anlass, um leichtfertig zu sein, nicht wahr?«
    »Gott bewahre, Mylord! Ich versichere dir, ich gebe dieser Angelegenheit alle Ernsthaftigkeit, die sie verdient.«
    Lord Fayth sah ein, dass er nicht mit ihr darüber streiten konnte – es gab nie irgendeine Möglichkeit, die Oberhand über das eigensinnige Mädchen zu gewinnen. Und daher lenkte er ein. »Mach, was du willst, mein Liebling«, sagte er. »Aber komm nicht heulend zu mir, wenn du dich mit fünfundzwanzig als alte vertrocknete Jungfer wiederfindest, weil alle geeigneten jungen Männer dich wie eine Ausgestoßene gemieden haben.«
    »Wird das voraussichtlich geschehen?« Sie schien darüber nachzudenken und lächelte schließlich. »Nein«, beantwortete sie die eigene Frage lachend. »Ich kann das überhaupt nicht vorhersehen. Auf jeden Fall ist dieser Zeitpunkt noch Jahre entfernt, und bis dahin wird die schockierende Taktlosigkeit dieses Tages lange vergessen sein – wenn nicht gar überschattet von irgendeinem anderen, noch größeren Sittenverstoß. Also komm, teuerster Vater.« Sie hängte sich bei ihm ein. »Lass uns reiten, während die Sonne scheint und wir immer noch unseren guten Ruf haben. Ich werde mit dir bis zum Dorfanger um die Wette reiten.«
    Der Ritt über die Hügel und Berge des westlichen Teils von Clarivaux’ riesigen Ländereien war ein einziger freudiger Rausch. Lady Fayth, deren Rücksichtnahme auf ihr Pferd schon zur besten aller Zeiten infrage gestellt wurde, gab sich dem Rennen ganz hin und ließ mühelos ihren Vater weit hinter sich – was nicht völlig überraschend war für einen Mann, bei dem sowohl das Gewicht als auch das Alter gegen ihn sprachen. Als er sie schließlich wiedertraf, schlenderte sie bereits über den Dorfanger.
    »Du reitest wie ein Teufelsbraten«, erklärte er geradeheraus. »Es wird ein Wunder sein, wenn du dir nicht eines Tages deinen hübschen Hals brichst.«
    »Danke schön, Vater«, antwortete sie. »Doch ich habe geglaubt, du wärest anlagebedingt unfähig, an Wunder zu glauben. Der Glaube deines Bruders Henry ist groß genug für euch beide – ist es nicht das, was du immer sagst?«
    »Hm!« Lord Fayth tätschelte den Hals seines Pferdes und schaute sich um. »Ich habe Lust auf ein Schlückchen Ale. Lass uns etwas trinken gehen.«
    »Lass das«, tadelte ihn seine Tochter. »Dafür ist es viel zu früh am Tage, und außerdem gibt es Tee, der zu Hause auf uns wartet. Erinnere dich bitte daran.«
    Er schnaubte ein wenig und stieg vom Pferd.
    Lady Fayth ging zu ihrem Vater und nahm seine Hand. »Jemand muss dein Wohlergehen im Auge behalten, Mylord. Was wirst du nur ohne mich tun?«
    »Ohne dich tun?«, fragte er. »Was ich mit dir tun soll – das raubt mir nachts den Schlaf.«
    »Ich meine das ernsthaft, Sir.« Sie drückte die Hand ihres Vaters, um ihren Worten Nachdruck zu verleihen. »Du weißt, dass mir nur dein Bestes am Herzen liegt. Wer wird auf dich aufpassen, während ich fort bin?«
    »Ich wage zu sagen, dass ich dieses Martyrium überleben werde, mein Liebling, so beschwerlich es auch sein mag. Ich hoffe nur, Henry kann dasselbe behaupten, wenn das Jahr zu Ende ist. Wenn alles gut geht, werde ich zu Weihnachten nach London kommen.« Über den Anger hinweg erblickte Seine Lordschaft das Schild der Dorfbäckerei. »Wenn wir schon nicht einen Abschiedstrunk zu uns nehmen, dann lass uns zumindest etwas Leckeres zum Tee nach Hause bringen.«
    Sie banden ihre Pferde auf dem Anger an und spazierten zur Bäckerei. Dort wählte Lord Fayth eine Mischung aus Zuckerwerk und Früchtebroten aus, die verpackt wurden, um sie als Beigabe für den Nachmittagstee zum Herrensitz mitbringen zu können. Aufgrund seines Sitzes im Vorstand der Ostindien-Kompanie kam Lord Fayth wie vor ihm sein Vater in den Genuss einer ständigen Versorgung mit neuer Handelsware und sah es als seine besondere

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