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Das Knochenhaus

Das Knochenhaus

Titel: Das Knochenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Lawhead
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beeilte sich Burleigh zu erwidern. »Ich bin erst vor Kurzem hier eingetroffen, sodass ich zurzeit keine anderen Verpflichtungen habe. Und was die angesprochene ›Lady Burleigh‹ angeht – nun, ich bin völlig auf mich alleine gestellt. Meine liebe Frau ist vor mehreren Jahren gestorben, und ich habe mich niemals wieder verheiratet.« Ein wehmütiges Lächeln glitt über sein Gesicht. »Augenblicklich gibt es absolut nichts, was mich irgendwie hindern könnte; und ich würde mich freuen, Euer liebenswürdiges Angebot anzunehmen.«
    »Famos!«, rief Lord Fayth und ging auf sein Pferd zu. »Wir erwarten Euch gegen halb sieben.«
    »Ich werde da sein.«
    Die beiden brachen auf und ließen den Earl of Sutherland auf dem Dorfanger zurück. Lady Fayth achtete ganz besonders darauf, dass sie nicht noch einmal auf ihn blickte: Der Mann hatte etwas an sich, das sie als nicht ganz vertrauenswürdig empfand – ein kaum wahrnehmbarer Ausdruck von Rücksichtslosigkeit um seinen Mund herum, eine Kälte in seinen dunklen Augen ... etwas, das sie nicht benennen konnte, sie jedoch vorwarnte.
    Eine Weile später, als sie ihre Pferde in die Stallungen zurückgebracht hatten und auf dem Weg zurück ins Haus waren, bemerkte Lord Fayth: »Guter Mann, dieser Burleigh.«
    »Oh? Wirklich?« Sie blieb abrupt stehen. »Dann hast du also schon früher von ihm gehört?«
    »Wie sollte ich von ihm gehört haben?«, erwiderte ihr Vater, der nun ebenfalls nicht mehr weiterging. »Er hat doch selbst gesagt, er sei erst vor Kurzem in den Süden gekommen.«
    »Allerdings.«
    »Er ist ein Earl, mein Schatz«, machte Seine Lordschaft geltend. »Ich wage zu behaupten, dass er ein oder zwei Stufen höher als wir steht. Ein feiner Gentleman, wie ein jeder deutlich sehen kann.« Er schaute seine Tochter von der Seite an. »Stimmst du mir etwa nicht zu?«
    »Ich behaupte nicht, den Mann zu kennen. Ich begreife allerdings nicht, wie sich irgendjemand eine fundierte Meinung bilden kann, die sich auf ein paar Artigkeiten stützt, die er beiläufig dahergesagt hat.«
    »Ha!« Ihr Vater schritt nun weiter über den kiesbedeckten Hof. »Offensichtlich hast du keinerlei Menschenkenntnis, mein Schatz. An der Lebensart kann man es stets erkennen.«
    Diese Worte hallten immer noch in ihrem Kopf wider, als sich das Gespräch – nach ihrem in gemütlicher Atmosphäre verspeisten Abendmahl aus kaltem Hammelfleisch und Rübenpüree – familiären Themen und den möglichen gemeinsamen Verbindungen der Männer zuwandte. Die drei saßen im Arbeitszimmer ihres Vaters, wo ein Feuer entzündet worden war; die Männer tranken in kleinen Schlucken Brandy, während Haven vorgab, sich mit einem Gobelinstickereimuster zu beschäftigen – dasselbe Stück, an dem sie schon seit mehr als einem Jahr ohne merkbaren Erfolg arbeitete. Sie hörte dem Gespräch der Männer zu und versuchte zu entscheiden, wo genau sie Burleigh in ihrer Einschätzung platzieren sollte: eine gängige und normalerweise ziemlich einfache Angelegenheit für eine junge Frau, die feste Überzeugungen und ein rasches Urteilsvermögen hatte. Doch aus irgendeinem Grund erwies sich der Earl in dieser Hinsicht als extrem schwer fassbar. Jedes Mal wenn sie das Gefühl hatte, ein gewisses Verständnis von ihm erlangt zu haben, sagte er etwas – eine Redewendung, eine Bemerkung oder sogar nur ein einziges Wort –, das sie verwirrte und ihre üblicherweise zuverlässige weibliche Intuition aus den Angeln hob.
    »Natürlich ...«, sagte Burleigh gerade, während er seinen Brandy am Glasrand entlangschwenkte. »Da ich selbst die Naturwissenschaften studiere, bin ich mir sicher, dass ich Eure Arbeit faszinierend finden würde. Ich wage zu vermuten, dass wir möglicherweise sogar einige Interessen gemeinsam haben.«
    »Meine Arbeit?« Lord Fayth legte die Stirn in Falten. »Ich muss gestehen, dass ich mich nicht in den Wissenschaften versuche, Sir. Diese modernen Männer der Forschung ...«, schnaubte er und nahm einen Schluck Brandy. »Die meisten von ihnen sind nicht einen Fußlappen wert, wenn Ihr mich fragt.«
    Zum ersten Mal an diesem Abend verriet Burleighs Gesichtsausdruck Verwirrung und etwas anderes. Erschrockenheit? Was auch immer es war – Haven glaubte, dass sie etwas vom wahren Menschen hinter der Fassade aristokratischer Gleichgültigkeit kurz erblickt hatte. »Vielleicht habe ich Euch gerade nicht richtig verstanden, Sir«, deutete er taktvoll an, und sein Verhalten brachte wieder lässige Jovialität

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