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Das Knochenhaus

Das Knochenhaus

Titel: Das Knochenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Lawhead
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beschleunigte er sein Tempo: Er musste sich nun beeilen, damit er nach dem Kauf der Medizin noch genug Zeit hatte, um zum Obst-und Gemüsehändler zu gelangen, dort ein, zwei Äpfel zu kaufen oder zu stehlen und sie dann auf der Brücke weiterzuverkaufen, bevor die Bäckerei schloss. Andererseits, wenn das Glück ihn anlächelte, würde es dort hinter dem Laden tagealtes Brot geben, das er umsonst bekommen könnte. Und zudem war altes Brot auf jeden Fall besser zum Rösten geeignet.
    Sobald er auf der Straße war, rannte Archie zum nächsten Apotheker und eilte um das Gebäude herum zum Hintereingang, da er wusste, dass dies besser war, als vorne hineinzugehen. Er klopfte gegen die Tür, bis er ein Rasseln vernahm.
    »Mach mal nicht die Pferde scheu, Kumpel«, knurrte ein Mann hinter der Tür. Eine Kette wurde herausgezogen, und durch den Spalt zwischen Tür und Pfosten drückte sich ein bärtiger Kopf. »Oh«, sagte der Mann mit unverhüllter Enttäuschung, »du bist’s. Was soll es diesmal sein? Nein, lass mich raten – du möchtest mehr Laudanum.«
    »Bitte, Sir, es is’ für meine Mum. Sie is’ schrecklich krank.«
    »Hast du Geld?«
    Der Junge hielt den silbernen Sixpence hoch.
    »Warte hier«, wies ihn der Apotheker an.
    Die Tür schloss sich wieder. Archie blieb im Garten hinter dem Haus und trat von einem Fuß auf den anderen. Er bemerkte, dass sich die Sonne herabsenkte; schon bald würde das Tageslicht verschwinden. Und dann wäre es bereits zu spät, bevor er auch nur die Brücke mit ein, zwei Äpfeln für den Verkauf erreichen konnte. Im nächsten Augenblick öffnete sich die Tür erneut.
    »Gib ihn mir«, sagte der Mann und schob seinen Arm durch den Spalt.
    Archie ließ die Münze in die ausgestreckte Hand fallen, die sofort zurückgezogen wurde und gleich darauf wieder erschien, diesmal mit einem kleinen braunen Glasgefäß. »Sag deiner Mum, sie schuldet mir immer noch was fürs letzte Mal, hörst du?«
    »Ich werd’s ihr sagen.« Während Archie dies versprach, rannte er bereits zur Wohnung zurück; das Glas bewahrte er sicher in seiner Hosentasche auf.
    Seine Mutter war inzwischen aufgestanden und wartete schon an der Tür auf ihn, als er zurückkehrte. Sie schimpfte ihn aus, weil er so langsam gewesen wäre. Schnell händigte er ihr das Glasgefäß aus und flitzte wieder davon, bevor sie ihn festhalten konnte. Er hörte, wie sie ihm etwas hinterherrief, doch er ignorierte es und lief weiter. Sobald er die Straße erreicht hatte, sauste er Hals über Kopf den ausgetretenen schmutzigen Weg hinunter. Geschickt wich er den Karren und Fußgängern aus und erreichte schließlich die Geschäfte an der breiten Straßenkreuzung.
    Der Obst-und Gemüsehändler war gerade dabei, seine Kisten wegzuräumen, um für heute seinen Laden zu schließen. Der Junge musste nun eine schwere Entscheidung treffen – entweder warten, bis das Geschäft ganz geschlossen war, und versuchen, etwas im Abfallhaufen in der Gasse dahinter zu finden, oder mit dem Händler feilschen und seine zwei Viertelpennys einsetzen, die ihm geblieben waren. Die Menschen bereiteten sich gerade auf die abendliche Ruhepause vor; die Zeit zwischen der Geschäftigkeit des Tages und der Nacht war alles andere als günstig, um Früchte zu verkaufen. Wenn er sich nicht beeilte, würde er heute nichts mehr verkaufen können. Außerdem sollte man in der Nacht nicht draußen sein. Obwohl Archie erst acht Jahre alt war, wusste er bereits, dass nach Einbruch der Dunkelheit nichts Gutes auf den Straßen von Bethnal Green geschah.
    Tief fuhr er in seine Tasche hinein, ergriff die zwei Viertelpennys und rannte zum Laden. Der Gemüsehändler machte gerade den letzten Fensterladen zu.
    »Drei Äpfel«, keuchte er und rang nach Atem.
    »Ich habe schon geschlossen, Junge«, entgegnete der Mann, ohne sich umzudrehen.
    »Bitte, Sir.«
    »Nein. Komm morgen wieder.«
    »Bitte, Sir, die sin’ fü’ minne Mum«, jammerte er, wobei er sich anstrengte, in seinem besten Gassenjungen-Jargon zu sprechen. Es war der Slang, den er gelernt hatte, seitdem er vor etwa einem Jahr in diese Gegend gekommen war; und dieser Jargon war am geeignetsten, wenn man erfolgreich betteln und jemanden beschwatzen wollte. »Sie is’ echt voll krank – das isse wirklich – und hat mich jefragt, ’n paar Äpfel zu holen, die helfen, dasse wieder gesund wird.«
    »Kannst du nicht sehen, dass ich schon zugemacht habe?«
    »Ich hab Geld – ich kann Se bezahlen.«
    Der Händler straffte

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