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Das Knochenhaus

Das Knochenhaus

Titel: Das Knochenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Lawhead
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wirklich direkt auf eine Linie: auf eine vollkommen gerade Bahn durch das Buchenwäldchen – auf einen dünnen Pfad mit Bäumen zu beiden Seiten. Eigentlich handelte es sich nur um die Andeutung eines Weges – wie ein von Waldtieren, vielleicht von Füchsen, markierter Wildwechsel. Doch der Pfad war so gerade wie ein Pfeil, bis er sich im dunklen Schatten des Wäldchens verlor.
    Wilhelmina musste schlucken. Doch nicht nur ihr Mund war ganz trocken geworden; sie spürte außerdem, dass ihr Herz sehr schnell schlug. »Das ist es«, sagte sie zu sich selbst. »Das hier ist einer dieser Leys.«
    Ihre Füße bewegten sich bereits auf dem Pfad, bevor sie überhaupt bewusst entschied, was sie nun tun sollte. Ohne anzuhalten, lief sie durch das Wäldchen; ihre Augen waren dabei starr auf das steinförmige Instrument gerichtet. Sie bemerkte, dass bei jedem Schritt das strahlende Licht leicht pulsierte. Das schwache Tschilpen wurde nicht lauter, dafür aber schneller. Mina beschleunigte ihre Schritte, und auch das Piepsen erfolgte immer rascher.
    In ihrer Nähe begannen die Blätter zu rascheln, als eine Brise aufkam. Dann schüttelte ein plötzlicher Windstoß die Äste über ihrem Kopf, und Dunkelheit senkte sich auf sie herab, als wäre sie in den tiefen Schatten eines großen Baumes getreten. Genau das passierte – und das war alles. Nach drei weiteren Schritten gelangte sie aus dem Schatten des Baumes und betrat ... eine ausgedehnte, sonnenbeschienene Waldwiese.
    Das Buchenwäldchen war verschwunden. Das gebogene Flussufer war ebenfalls weg, zusammen mit den umliegenden Feldern und Hügeln. Stattdessen stand Mina auf dem Talboden einer tiefen Schlucht, und strahlendes Sonnenlicht fiel auf sie herab. Hinter ihr erstreckte sich ein lang gezogener Hang, der aussah, als wäre er in die Klippenwand geätzt worden, und der zu der grünen Wiese führte, auf der Mina stand. An jeder Seite von ihr ragten gewaltige Kalksteinwände in die Höhe, und direkt unter ihr eilte ein flacher, kleiner Fluss mit aufspritzenden Wellen um die großen Steine und Felsblöcke, mit denen der Talboden übersät war. Sie hörte den Schrei eines Greifvogels. Als sie nach oben blickte, entdeckte sie einen Falken, der in der kalten, klaren Luft hochstieg.
    »Mina, du bist nicht mehr in Böhmen«, flüsterte sie. In der Stille der Waldwiese senkte sie unwillkürlich ihre Stimme.
    Die Vorrichtung in ihrer Hand schimmerte immer noch matt, gab aber nicht mehr Geräusche von sich. Was für ein intelligentes kleines Ding , dachte sie. Wie soll ich es wohl nennen? Ley-Lampe, entschied sie aus einer Laune heraus. Der Name schien zu passen.
    Wilhelmina war neugierig darauf zu erfahren, wo es sie hin verschlagen hatte. Und so fuhr sie fort, sich umzuschauen, achtete jedoch darauf, nicht zu weit zu wandern, damit sie nicht die Orientierung verlor. Sie steckte die Ley-Lampe in ihre Tasche und ging weiter den Pfad hinunter. Als sie um die nächste Biegung der Schlucht kam, weitete sich vor ihr das Tal, und die Kalksteinwände entfernten sich. Zu beiden Seiten des Flusses hatte jemand auf dem nun flach verlaufenden, fetten Erdboden Kornfelder angelegt. Nicht weit von ihr entfernt erblickte sie ein paar Stein-und Holzgebäude, doch kein Mensch war in der Nähe.
    Während Mina sich den Häusern näherte, wurde aus dem Uferpfad eine zweispurige Straße, die durch die winzige Siedlung und den kleinen Hof führte und hinter der nächsten Biegung der Schlucht verschwand. Da niemand da zu sein schien, legte sie einen kleinen Halt ein und schaute in eines der Gebäude hinein. Es war ein einfacher Viehstall, dessen Boden mit Stroh bedeckt war. Eine leere Futterkrippe stand unter einem viereckigen Loch in der Wand, das als Fenster diente. Sie ging weiter die Straße entlang und marschierte auf die nächste Biegung zu. Hoch über ihr hatte sich ein zweiter Falke zum ersten gesellt, und beide flogen in langsamen Kreisen weiter nach oben.
    Direkt hinter der Biegung sah sie, dass jemand aus den Steinen im Fluss einen Damm errichtet hatte. Es war eine primitive Konstruktion aus übereinander gehäuften Steinen, die quer über eine schmale Flussstelle führte und recht gut funktionierte. Das Wasser sammelte sich hinter der einfachen Barriere und bildete einen breiten, stillen Teich. Direkt über ihm stand auf einem Felsvorsprung ein gedrungenes Steingebäude, das sich bei näherer Betrachtung als Ruine erwies. Das Dach war verschwunden, und zwei der vier Mauern waren

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