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Das Knochenhaus

Das Knochenhaus

Titel: Das Knochenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Lawhead
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nahm ein Glas mit hellgelber Flüssigkeit entgegen. Sie war lauwarm, doch der scharfe Geschmack der Zitrone machte sie genießbar. Thomas setzte sich auf den Stuhl hinter dem Schreibtisch, auf dem ein unaufgeräumter Wust von Papieren und verschiedenen Zeichenutensilien lag, und starrte seinen Gast an. Kit trank in kleinen Schlucken sein Zitronenwasser und wartete darauf, dass sein Gastgeber mit dem Gespräch beginnen würde.
    »Darf ich wagen zu fragen, ob Sie etwas für mich mitgebracht haben?«, wollte Thomas schließlich wissen.
    »Zufälligerweise, ja«, erwiderte Kit. Er stellte sein halb leeres Glas auf dem Tablett ab, nestelte an den Knöpfen seines Hemdes und holte das in braunes Papier eingewickelte Päckchen hervor, das er im Hotel erhalten hatte. »Ich habe die Anweisung erhalten, dies Ihnen ungeöffnet zu überbringen. Wie Sie sehen können, bin ich der Anweisung gefolgt.« Er stand auf und legte das Paket in einer geradezu feierlich anmutenden Geste mit beiden Händen vor seinem Gastgeber auf den Schreibtisch. »Ich freue mich, dies in Ihre Obhut zu geben.«
    Thomas machte keinerlei Anstalten, es zu ergreifen, sondern saß mit zusammengefalteten Händen davor und betrachtete es mit einem fragenden Gesichtsausdruck. »Wissen Sie, was darin eingewickelt ist?«
    »Nein, Sir«, antwortete Kit. »Das habe ich nicht erfahren. Wissen Sie es?«
    »Teilweise.« Thomas hob kurz die Augen zu Kit und begutachtete dann wieder das Paket. »Wenn es das ist, was ich denke ...«
    Kit wartete. Weder veränderte der Archäologe seinen starren Blick, noch zeigte er irgendwelche Anzeichen, dass er das Päckchen in die Hand nehmen wollte. Er saß einfach nur da und starrte auf das verschnürte Viereck.
    »Dr. Young?«, fragte Kit nach einer kleinen Weile. »Ist etwas?«
    »Wenn es das ist, was mir versprochen worden ist, wird sich die Geschichte ändern.« Er hob ein weiteres Mal die Augen; seine runden Brillengläser glänzten in dem weichen Licht, das im Zelt herrschte. »Das wissen Sie, nicht wahr? Die Welt wird sich ändern.«
    »Richtig.« Kit nickte. Er würde noch ein wenig länger darauf warten können.
    Draußen hallte ein Eselsschrei in den Ruinen wider. Wie eine Reaktion auf dieses Geräusch zog der Arzt scharf die Luft ein und zog das Paket näher zu sich heran. Er hob es hoch und balancierte es schüchtern zwischen seinen Händen – der Inbegriff eines Mannes, der eine Handlung hinauszuzögern versucht, die er möglicherweise sehr bedauern würde. Kit konnte mit ihm fühlen. Wer vermochte schon zu ahnen, was Wilhelmina hier eingepackt hatte?
    »Es muss getan werden, nehme ich an«, meinte Thomas. Mit zitternden Fingern band er den Knoten auf, entfernte das Packpapier – und enthüllte eine seltsame Ansammlung von Gegenständen: eine alte Shilling-Münze, einen Brief, einen Zeitungsausschnitt und mehrere bedruckte Seiten, die anscheinend aus einem Buch gerissen worden waren. Es war mehr oder weniger das, was man in einem alltäglichen Sammelalbum finden könnte; nichts davon sah so aus, dass es wahrscheinlich von großer Bedeutung war, geschweige denn dass es welterschütternde Konsequenzen hatte.
    Kit beobachtete, wie sein Gastgeber die Münze untersuchte; dann legte er sie beiseite, hob den Brief hoch und untersuchte die Vorder-und Rückseite des Umschlags. Darauf war Minas Handschrift zu erkennen. Der Brief war adressiert an »Christopher ›Kit‹ Livingstone in der Obhut von Dr. Thomas Young«. Der weiße Umschlag war versiegelt und mit einer Briefmarke versehen worden, die man allerdings nicht abgestempelt hatte.
    Thomas legte den Brief vor sich auf den Tisch. »Das allein wäre schon genug gewesen«, murmelte er.
    »Sir?«, fragte Kit nach.
    »Sehen Sie doch hier!« Thomas zeigte auf die Briefmarke. Es handelte sich um ein einfaches schwarzes Postwertzeichen mit der eingeprägten Silhouette der jungen Königin Victoria, unter der die Wörter one penny standen – eine recht unscheinbare Marke in den Augen von Kit.
    »Die Briefmarke – ja und?«, erwiderte er.
    »Diese Briefmarke , wie Sie das hier nennen ...« – der Archäologe berührte sie behutsam mit einer Fingerspitze – »... ist noch nie zuvor gesehen worden – zumindest nicht von mir.«
    »Darf ich?«, fragte Kit und ergriff das Schreiben. »Ich sehe, dass der Brief an mich adressiert ist.«
    »Gewiss doch«, antwortete der Arzt. »Sie müssen ihn sofort öffnen.«
    Kit zerbrach das Siegel, öffnete den Umschlag und zog ein einzelnes Blatt

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