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Das Koenigreich der Luefte

Das Koenigreich der Luefte

Titel: Das Koenigreich der Luefte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Hunt
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Schatten ihrer früheren Pracht. Allein die Ausmaße ließen darauf schließen, dass sie früher einmal den Monarchen von ganz Jackals beherbergt hatten, den absoluten Herrscher einer großen Nation. Wie die fragliche Person selbst, so waren auch sie inzwischen abgewirtschaftet und verfallen. Julius’ abgehackter Husten hallte von den nackten Wänden wider, ein röchelndes, rasselndes Ding, das lebendiger klang, als sein Verursacher wirkte.
    Hauptmann Flare sah auf die zum Skelett abgemagerte Gestalt unter der Decke hinunter, die nur durch die raue Wolle vor der feuchten Kühle des Raumes geschützt wurde. Es war Sommer, daher brannte kein Feuer im Kamin. Das Parlament hatte es Vorjahren beschlossen: Brennholz stand der königlichen Person nur ab den ersten Frostmonaten zur Verfügung – eine kleinliche Sparmaßnahme, die den Hütern, die dafür gestimmt hatten, sicherlich mehr Wärme vermittelt hatte, als sie König Julius damit entzogen. Er war nun kaum noch bei klarem Verstand; ein neuerlicher Anfall der Wassermannkrankheit hielt ihn in seinen Klauen. Jeder Fieberschub machte ihn ein wenig schwächer als der letzte.
    »Was sagt er, Hauptmann?«, fragte Prinz Alpheus. »Es klang wie irgendwas von einer List.«
    »Nicht List«, sagte der Befehlshaber der Sondergarde. »Alice. Ihre Mutter.«
    »Mutter. Ja. Ich wünschte, ich hätte sie kennengelernt.«
    »Das Haus der Hüter hätte das vermutlich nie zugelassen«, sagte Flare. »Selbst wenn man sie wieder in die königlichen Aufzuchtstätten gesteckt hätte, selbst wenn sie nicht …«
    »… an Schrumpelhaut gestorben wäre?«, fragte Alpheus. »Mich überrascht immer wieder, wie viele Menschen königlicher Abstammung in den Aufzuchtstätten an Seuchen und Fieber sterben. Es überrascht mich, dass sie überhaupt noch eine Frau von niederem Adel dort aufstöbern können, von herzoglichem Geblüt gar nicht zu reden, um mich später mit ihr zu paaren.«
    »Man kann mit Fug und Recht sagen, dass die medizinische Versorgung dort gerade nicht an erster Stelle steht.«
    »Hier ja wohl auch nicht«, sagte Alpheus.
    Flare zuckte die Achseln. »Die Wassermannkrankheit ist ein perfektes Symbol unseres demokratischen Staates – sie befällt Hüter und Küchenmädchen gleichermaßen, und wer sie sich einmal eingefangen hat, dem kann alles Geld in Sun Gate nicht mehr helfen.«
    »Es heißt, dass die Hitze und Trockenheit von Cassarabien den Leidenden gut bekommt.«
    »Vielleicht.« Flare nickte. »Aber ich glaube nicht, dass das Parlament den Kalifen mehr vertraut als Ihrem Vater.«
    »Es ist komisch, dass ich niemals krank werde«, sagte Alpheus. »Ich bekomme im Winter nicht einmal einen Schnupfen. Offenbar habe ich das nicht von Vater oder Mutter geerbt.«
    »Ihre Mutter war zäh«, berichtete Flare. »Da brauchte es schon die Zustände in den Aufzuchtstätten, um sie zu zermürben.«
    Alpheus sah auf seinen Vater hinunter. »Er erinnert sich immer noch an sie.«
    »Sie war eine Frau, die man nicht leicht vergisst, Hoheit.«
    Eine Reihe von Sondergardisten stand auf der anderen Seite des Schlafzimmers Wache, vor den hellen Flecken auf der Wand, wo früher prächtige Wandteppiche gehangen hatten, und sie verfolgten mit unbeweglichen Gesichtern das langsame Sterben des Königs. Flare bedeutete ihnen mit einer Handbewegung, sie sollten gehen, und sie wandten sich geschmeidig um, dann verließen sie das Zimmer in ordentlicher Aufstellung. Alle außer Bonefire.
    »Auch Sie können gehen.«
    »Ich hatte die Hoffnung, der Welpe würde die Nerven verlieren – überlassen Sie die Arbeit doch besser einem Mann.«
    »Sie machen sich doch nicht etwa Sorgen um mich, Bonefire?«, fragte der Prinz. »Sie wollen das doch einfach nur selbst tun.«
    »Der Reiz des Neuen«, erwiderte der Sondergardist. »Es ist eine Weile her, seit jemand mir meinen Willen gelassen hat, und ich vermisse die alten Zeiten.«
    »Sie könnten es ihn wirklich tun lassen«, schlug Hauptmann Flare vor. »Es steht nun eine Menge auf dem Spiel. Danach gibt es kein Zurück mehr – für keinen von uns. Sie müssen das nicht selbst machen.«
    »Doch, das muss ich, Hauptmann. Und überhaupt, was ist mir denn sonst noch geblieben?«, sagte Alpheus und nahm ein Kissen hoch. »Ein Leben, bei dem ich so enden werde wie er, mich fiebernd im Bett herumwerfe, ohne Arme, mit denen ich um Hilfe betteln könnte, ohne Würde, ohne Freiheit, ohne Hoffnung.«
    König Julius röchelte, als ihm das Kissen von seinem Sohn auf das

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