Das Koenigreich der Luefte
Höhe stiegen. Konnte es denn weiter oben im Himmel Leben geben? Wenn überhaupt, dann müssten es wohl Eismenschen sein, die eiskalte Temperaturen ertragen konnten – vielleicht auch mit Buckeln, wie die Wüstenmenschen sie besaßen, nur dass sie kein Wasser speicherten, sondern die Luft, die sie zum Atmen brauchten. Was für eine Geschichte für die Groschenheftchen so etwas geben würde. Erzählungen von seltsamen Lebensformen über den Wolken. Vielleicht würde es eines Tages in den Buchhandlungen von Jackals einen Markt für Himmelsfiktion geben.
»Dann verschwendest du also unsere wenigen verbliebenen Pennys auf dieses kreuzverdammte Ding, das du da unten im Garten aufziehst«, grollte der Kommodore. »Einen künstlichen Mutterkristall, als ob irgendwo auf einem der Monde ein Kristallgittervermittler gelangweilt herumsäße und nur darauf wartete, dass der große Aliquot Kupferspur bei ihm ein Stückchen Käse bestellt. Na schön, vielleicht gibt es ja ein paar mondverrückte Narren in den Straßen Middlesteels, die ein paar Münzen dafür geben werden, um dieses Ding zu sehen, wenn du einmal fertig bist … um uns den Metzger und seine Schuldeneintreiber vom Hals zu halten.«
»Mein Apparat ist nicht als Zirkusattraktion gedacht«, sagte Kupferspur verärgert. »Ebenso wenig wie das Gerät, das mein Kollege von der Königlichen Akademie geschickt hat -und bei dessen Zusammenbau du, Kommodore Weichkörper, mir helfen solltest, wenn ich dich daran erinnern darf.«
Brummend verließ der Kommodore den Raum, um eine der letzten Kisten aus dem Speiseaufzug im Flur zu holen. Die unermüdlichen Mu-Körper des Querdenkers waren bereits mit einer Pyramide aus Maschinenteilen beschäftigt -pumpende Kupferkolben wurden geölt und an den richtigen Stellen verankert, gläserne Linsen in Rahmen gesteckt.
Nickleby zündete seine Nuschelrauchpfeife an, und das Uhrenzimmer füllte sich allmählich auf nicht unangenehme Weise mit süß duftendem Rauch. Bei Molly verursachte er dennoch Schmerzen an der Nasenwurzel, wenn sie zu viel davon erwischte, und der Zirkel mochte wissen, was er im Körper des Reporters anrichtete.
»Die Antwort liegt vor meinen Augen«, sagte Nickleby, der in seinem Sessel saß. »Seit Tagen hat es nun in Pitt Hill keinen Mord mehr gegeben. Das passt perfekt zu dem, was ihr in den Aufzeichnungen in Greenhall herausgefunden habt. Der Preis, der auf deinen Kopf ausgesetzt wurde, Molly, spiegelt die Tatsache wider, dass du die Letzte bist, die auf der Liste der Mörder steht – aus welchem Grund sie auch immer erstellt worden sein mag.«
»Wenn man jemanden auf den Stufen eines Armenhauses aussetzt, dann möchte man nicht aufgespürt werden«, gab Molly zu bedenken.
»Die unglücklichen Umstände deiner Geburt waren in diesem Falle für dich von Vorteil, Molly«, sagte Nickleby. »Ich habe keinen Zweifel, wenn deine Mutter dich behalten hätte, dann hätte ich in der Illustrated unter der Rubrik Straftaten und Strafen schon längst von deiner Ermordung berichten müssen. Aber was verbindet dich mit den anderen Namen auf der Liste?«
»Überhaupt nichts.« Black keuchte, als er wieder mit einer Kiste Material zurückgekehrt war. »Sie ist ein Kind, kreuzverdammt noch mal. Noch viel zu jung, um in diese tödlichen Spiele hineingezogen zu werden, die du uns hier aufzwingst, Silas.«
»Da hast du Recht, Kommodore. Molly ist jünger als alle anderen, die auf der Liste der Pitt-Hill-Morde stehen. Aber sie ist kaum noch ein Kind – bald hat sie das Alter erreicht, in dem sie wahlberechtigt sein wird.«
»Dass man auf einem Wahlzettel ein Kreuz hinter den Namen irgendeines diebischen Hüters setzen darf, ist wohl eine verdammt kleine Entschädigung dafür, dass man von einer mörderischen Bande Verrückter gejagt wird.«
»Dahinter steckt ein Muster«, grübelte Nickleby, »aber wir können es nicht erkennen.«
Zum hundertsten Mal sah er die Namensliste durch, die Binchy nach ihrer Entdeckung im Maschinenraum von Greenhall angefertigt hatte. Die Namen, die zu den in Pitt Hill Ermordeten gehörten, waren mit einem Kreuz gekennzeichnet. Einige der Opfer waren seitens der Polizei gar nicht mit der Mordserie in Verbindung gebracht worden, da sie schlicht zu arm waren, als dass man ihren Tod besonders intensiv untersucht hätte. Von denen gab es jedoch nicht allzu viele. Der Großteil der Personen stammte aus gut situierten Familien – gebildet und wohlhabend. Das Durchschnittsalter lag zwischen Mitte und
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