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Das Koenigreich der Luefte

Das Koenigreich der Luefte

Titel: Das Koenigreich der Luefte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Hunt
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zusammen, als Harry ihm den Kolben der langen Büchse in den Bauch stieß, bevor er einen Schritt nach vorn tat und der Hauptmann sich in der Luft überschlug. Mit einem Knacken brach sein Hals, und der schlaffe Körper schlug wieder auf den Boden.
    Hustend zog sich Oliver die Schlinge ab, die noch immer eng um seinen Hals spannte. Als er aufsah, entdeckte er das Messer, das zitternd in die Mauer eingedrungen war, nachdem es das Seil durchtrennt hatte.
    »Onkel Titus?«, stieß Oliver abgehackt hervor.
    Harry Stave schüttelte traurig den Kopf.
    »O großer Zirkel.« Die enorme Bedeutung dessen, was geschehen war, sickerte allmählich ein. Drei weitere Leichen vor seinen Füßen. Cudban tot. Damson Griggs. Sein Onkel. »Sie haben versucht, mich umzubringen.«
    »Du warst nur eine gute Ausrede, alter Knabe. Ein registrierter Junge, der ihnen genau zupasskam, damit sie ihm die Morde anhängen konnten. Sie wollten aber Titus und mich.«
    »Und waren sie wirklich von der Polizei?«
    Harry Stave versetzte Bates’ Leiche einen Tritt. »Vielleicht. Aber falls ja, dann waren sie nicht die Sorte Presser, die gewöhnlich in Harn Yard herumschleicht.«
    Stave hob einen Finger, als Oliver wieder zu sprechen ansetzte. »Ich habe zwei von ihnen in Seventy Star Hall getötet, Oliver. Und hier noch mal zwei. Für Fragen haben wir später Zeit. Wir müssen jetzt verschwinden.«
    Die ganze Welt stand auf dem Kopf. Die Polizei tötete Menschen. Ein Mörder beschützte ihn. Alle, die ihm in Hundred Locks auch nur ein kleines bisschen wichtig gewesen waren, lebten nun nicht mehr. Oliver verließ die Polizeiwache, als würde er schlafwandeln, und schloss hinter den verdreht daliegenden Leichen die Tür.
    Er schloss die Tür hinter seinem ganzen bisherigen Leben.

5
     

     
     
     
    Mollys Stunden bei Damson Darnay im Armenhaus waren nicht annähernd so intensiv gewesen wie der eine Monat Ausbildung, den Lady Emma Fairborn und ihre Tutoren überwachten. Der Etikette-Unterricht wurde in leeren Räumen durchgeführt, die die Größe eines Lagerhauses hatten, und die einzige Gesellschaft bestand in der schwarzgekleideten Gegenwart der Türsteher, die schweigend Wache hielten. Sie lernte alles über Protokoll, Gleichgewicht, Haltung, wie man gehen, sprechen, denken sollte. Der Unterschied zwischen einem Stoß und einem Hieb: größer, als man hätte glauben können. Der Unterschied zwischen den verschiedenen Gruppen im Haus der Hüter – Herzländer, Puristen, Gleichmacher, Brüller und Zirklisten: kleiner, als man hätte erwarten können.
    Das große Haus war von einem Garten umgeben, der von einer hohen Mauer umschlossen wurde und in dem sich auch ein kleiner See mit Ruderbooten befand, aber Molly war es noch nicht gestattet, sich auf dem Anwesen frei zu bewegen; sie hatte sich in dem Zimmer aufzuhalten, das sie mit einem der anderen Mädchen teilte, einem erfahrenen Freudenmädchen namens Justine. Ein gewisser Erwartungsdruck und eine leichte Drohung hingen in der Luft – was würde mit ihr geschehen, wenn sie einem der Tutoren nicht gefiel oder wenn sie vor einem der kaltäugigen Lehrer für Tanz, Philosophie oder Betragen patzte?
    »Wir sind kein billiges Halfpenny-Vergnügen, wie man es in den Gässchen am Hulk Square bekommt«, erklärte Lady Fairborn leicht verächtlich, als es Molly wieder nicht gelungen war, sich erfolgreich Wissen zum Tagesgeschehen anzueignen. »Jene Kunden, die die Tür von Fairborn & Jarndyce durchschreiten und dabei nicht direkt über das Geschick von Jackals entscheiden, haben zumindest großen Landbesitz oder sind sehr vermögende Kaufleute.«
    Molly stieß frustriert die Luft aus.
    »Komm, meine Kleine«, sagte Lady Fairborn. »Spiele mir hier nicht die Schüchterne vor. Ich weiß, wie es ist, wenn man im Armenhaus aufwächst. Man glaubt, wenn man seinen Körper einem Jungen oder einem Mädchen hingibt, dann sei das alles, womit man sie glücklich machen kann. Aber das macht nur den zehnten Teil einer guten Liebhaberin aus.« Sie tippte sich an den Kopf. »Alles Übrige spielt sich hier oben ab.«
    Molly sah sie verblüfft an. »Sie wurden in einem –«
    »Ich kann nicht sagen, wo ich geboren wurde, Molly. Und das spielt auch kaum eine Rolle, wenn es darum geht, wo man seine Tage einmal beschließen möchte. Aber ja, ich wurde wie du im Waisenflügel eines Arbeitshauses in Middlesteel großgezogen. Nicht hinter so schönen, gut gepflegten Mauern wie jenen des Sun Gate allerdings, sondern mangels, mitten

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