Das Koenigreich der Luefte
Geschichten über Dämonen?«
»Für jene, die Jackals Böses wünschen«, erwiderte Harry, »sind wir Dämonen. Einige Hüter verschwören sich und planen einen Staatsstreich, und eines Morgens wachen sie auf, und ihr Anführer ist verschwunden und wird nie wieder gesehen. Ein Kaufmann nimmt von den Cassarabiern Gold, um Marine-Celgas über die Grenze zu schmuggeln, und eines Tages findet man sein Zelt leer in der Wüste. Die Politpolizei lässt sich überreden, die Wahlen zu manipulieren, und eines Tages treibt die Flussbarkasse des Polizeigenerals leer auf dem Gambleflowers, und von dem alten Knaben gibt es keine Spur. Das vermittelt eine klare, eindrucksvolle Botschaft. Wir arbeiten unerkannt im Hintergrund, Oliver, und sorgen dafür, dass nach den Regeln gespielt wird und jeder reinen Herzens bleibt. Das Einzige, das man über uns weiß, ist der Name, den Kirkhill uns gegeben hat – der Wolkenrat, das verdammt noch mal höchste Gericht im ganzen Land.«
»Aber die Männer, die uns zu ermorden versuchten – wer hat Onkel Titus umgebracht?«
»Dein Onkel war ein Pfeifer, Oliver. Er gehörte zum Agentennetzwerk des Wolkenrats hier am Boden. Er hatte etwas entdeckt; etwas, das so wichtig war, dass es sich lohnte, ihn deswegen umzubringen.«
»Onkel Titus?«
»Er war einer der Besten. Er hatte seine Leute überall: unter Schiffsbesatzungen und Händlern, in Cassarabien, Quatershift, Concorzia, im Catosischen Bund und im heiligen Imperium von Kikkosico – und natürlich in jedem Bezirk von Jackals von Chiltonshire bis Ferniethian.«
»Und das schon die ganze Zeit«, sinnierte Oliver. »Er hat ja nie viel geredet, aber …«
»Das gehörte zu seiner Aufgabe, Oliver. Er wurde vom gleichen Mann gerettet, der auch dafür sorgte, dass man mir vor dem Bonegate-Gefängnis nicht den Hals langzog, vom größten Wolfschnapper aller Zeiten – Titus’ Bruder.«
»Aber das würde ja bedeuten …«
»Dein Vater, Oliver. Er war der Wolfschnapper, der mich in unserer Kunst ausgebildet hat. Er hat meine nicht ganz unbedeutenden Talente entdeckt und ihnen eine Richtung gegeben, die mich zu mehr befähigte, als Marine Zwieback an die Kaufleute der Penny Street zu verticken.«
»Wenn du für diesen Wolkenrat arbeitest«, sagte Oliver, »wieso wollen sie dich dann umbringen?«
»Es ist das alte Dilemma: Wer überwacht die Wächter? Mir sind nun schon seit einigen Jahren ein paar Sachen aufgefallen, die daraufhindeuten, dass jemand vom Rat auf beiden Seiten des Feldes spielt. Dein Onkel vermutete dasselbe. Als unsere Extraktion vorhin in einen Hinterhalt geriet, war klar, dass dieser Verdacht berechtigt war.«
»Extraktion?«
»Ein Wolfschnapper-Ausdruck. Wenn man die Flagge aufhängt, nennt man das ›ein Signal aufstellen^ Um eine Aerosphäre zu rufen, die zu uns herunterschwebt und uns dann wieder nach oben bringt.«
»Der Rat ist auf einem Aerostat zu Hause?«
»Nicht auf einem Aerostat, Oliver. Wir haben da oben über den Wolken inzwischen eine ganze Stadt. So hoch, dass kein KAM-Höhenflieger sie erreichen kann; da oben sind außer uns nur noch Skrayper.«
»Und jetzt versuchen sie, dich umzubringen?«
»Nur ein paar von ihnen. Sie müssen dem alten Landless wohl was ins Glas getan und Monks an seiner Stelle auf die Aerosphähre geschickt haben. Monks habe ich nie getraut, der war für meinen Geschmack immer schon zu wenig Dieb. Wem kann man nun noch trauen, Oliver? Das ist selbst in besten Zeiten immer eine höchst sensible Frage in diesem großen Spiel. Nun lass mich einmal nachdenken. Wenn sie offen agieren, dann müssen sich mich offiziell zum Schurken erklärt haben. Sie könnten nicht einfach eine Extraktion in den Sand setzen und dann darauf hoffen, alles vertuschen zu können. Das bedeutet, dass sich jemand auf Regulator-Ebene eingemischt hat. Beim Zirkel, die Fäulnis im Rat reicht noch viel weiter, als ich dachte.«
»Und die falschen Polizisten in der Wache von Hundred Locks?«, fragte Oliver.
»Die hatte irgendjemand angeheuert«, sagte Harry. »Aber nicht der Wolkenrat. Wir haben einen militärischen Arm für die Ausführung schwieriger Aufgaben, die sogenannten Inkrementellen. Gut ausgebildete Mörder. Wenn die auf uns angelegt hätten, wäre jetzt keiner von uns mehr am Leben, um darüber zu diskutieren. Tja, wem kann ich also noch vertrauen?«
»Kann ich dir vertrauen, Harry?«
»Du kannst ihm dein Leben anvertrauen, aber nicht deine Brieftasche.« Die Stimme kam vom Eingang des Schleppkahns.
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