Das Koenigreich des Sommers
lieber Junge, aber er ist wild. Ich hoffe, er hat dich nicht ermüdet.« Ich schüttelte den Kopf, und sie nahm das Tablett auf und brachte es herüber. Das Essen bestand aus einer Schale Haferbrei mit Honig, aus Brot, Butter und frischer Milch. Es duftete wunderbar. »Gwyn ist klug. Er lernt seine Lektionen gut, und er ist sanfter als ein Tag im Juni. Aber er hat Phantasie und zuviel Temperament, und immer läuft er weg. Eines Tages wird er Schwierigkeiten haben.«
»Er sagt, daß du aus ihm einen Priester machen willst.«
»Das sollte er auch werden. Er ist klug genug, und Priester zu sein, das ist ein edler Beruf. Wir brauchen viele Priester in diesem Zeitalter. Jenen, die diesem Beruf folgen, bietet er eine eigene Ehre, einen eigenen Ruhm.«
Ich sagte nichts, sondern begann den Haferbrei zu essen. Er war köstlich.
»Du magst wohl den Gedanken nicht«, beobachtete sie. »Nun, viele Männer mögen ihn nicht. Gwyn will Krieger werden. Ich bitte dich, unterstütze ihn nicht darin, und erzähl ihm auch keine Geschichten, die seinen Wunsch fördern.«
Ich schaute überrascht zu ihr auf, den Löffel mitten in der Luft. Sie stand gerade und ruhig an der Wand, lächelte ein wenig, war einfach gekleidet. Aber ihr Tonfall hatte etwas Befehlsgewohntes. Ich fragte mich, woher sie wohl stammte. Nach ihrem Akzent zu urteilen, war sie nicht in Gwynedd geboren.
»Alle kleinen Jungen hören gern solche Geschichten«, sagte ich, »und ein Lied kann auch nichts schaden. Dadurch wünscht sich ein Junge nur, tapfer zu werden, und das ist nichts Böses.«
»Das ist nichts Böses, nein. Aber Lieder können einen Jungen auch dazu bringen, Krieg und Streit zu lieben und Gold und Körperkraft über Tugend und Ehrlichkeit zu setzen. Die Lieder reden viel vom Glitzern der weltlichen Macht und wenig von Freundlichkeit, Frieden und Adel der Seele. Ich möchte nicht, daß mein Sohn sie hört. Ich sage dir das, weil du ihm von Camlann erzählt hast.«
Ich schaute vorsichtig den Haferbrei an. Ich war verlegen. »Nun. er hat mich drum gebeten.«
»Und du bist dagewesen?«
»Ich war dort Diener.«
Sie schwieg einen Augenblick und betrachtete mich. Dann sagte sie: »Es ist deine eigene Angelegenheit, wem du treu bist. Aber ich muß dich darum bitten, meinem Sohn davon zu schweigen. Ich habe schon genug Ärger mit Gwyn, ohne daß er auch noch die Truppe eines Mannes bewundert, den ich für einen Usurpator und Tyrannen halte. Und ohne daß er vielleicht sogar dort hinläuft.«
»Artus ist ein sehr großer König«, sagte ich verletzt. »Er ist ein Mann, dem der Schutz seines Volkes am Herzen liegt und der Ordnung und Gerechtigkeit schaffen und verteidigen will. Viele seiner Krieger sind gute Männer.«
»Fandest du das? Dann denkst du anders als ich.«
Ich schluckte. »Du bist sehr streng, Herrin.«
Sie bemerkte nicht, daß ich den Titel benutzte, sondern schüttelte nur langsam den Kopf und schaute mir in die Augen. »Ich habe einen Grund. Gwyns Vater war. ist. ein Krieger.«
»Oh«, sagte ich. »Hat er. er hat doch nicht dein Gelübde entehrt?«
Sie schüttelte wieder den Kopf. »Nein, damals hatte ich noch kein Gelübde abgelegt. Alles, was ich verloren habe, war meine Ehre
- obwohl das weiß Gott ein schlimmer Verlust ist.« Sie ging zum Fenster und schaute hinaus. »Ich bitte dich ja nur, daß du meinem Sohn keine Geschichten mehr von Kriegen und Kriegern erzählst«, sagte sie sanfter.
Das war vernünftig, denn er war ihr Sohn, und sie trug die Verantwortung. Außerdem war es genauso unwahrscheinlich, daß er ein Krieger wurde, als daß ich einer wurde. Also stimmte ich zu und aß schweigend meinen Haferbrei, während ich mich fragte, wer sie wohl war.
Als ich fertig war, wandte sich die Frau vom Fenster ab, lächelte wieder und versuchte mich zu erleichtern. »Komm, laß mich einmal deinen Kopf ansehen.« Ich ließ sie. Sie schaute sich die Beulen an, strich dann etwas Salbe darauf und verband mich. Als sie fertig war, trat sie zurück und wischte sich die Hände.
»Wie geht es Eivlin?« fragte ich sie. »Der Frau, mit der ich gekommen bin.«
»Sie schläft noch. Wir halten sie warm und machen es ihr bequem.«
Ich schwieg einen Augenblick. »Wird sie wieder aufwachen?« fragte ich.
Anstatt zu antworten, schaute sie mich fest an. »Ist dir das so wichtig?«
»Ja.« Ich mußte wieder das sagen, was ich schon in der vergangenen Nacht gesagt hatte. »Ich liebe sie.«
Die Frau schaute mich noch einen Augenblick an,
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