Das Koenigreich des Sommers
weiteten sich. Ich konnte sehen, daß er, wie ich damals, das Gefühl hatte, ein Lied sei lebendig geworden. Der Junge machte eine tiefe und außerordentlich ungeschickte Verbeugung. »Jjj-ja, großer Fürst. Bist du Rhys’ Herr, ein großer Krieger, aus der Familie?«
»Ich bin Rhys’ Herr, ich bin Gawain ap Lot. Ich glaube, ich muß dir dafür danken, daß du meinem Diener den Weg gezeigt hast.«
Gwyns Gesicht strahlte auf wie eine Fackel. »Das war überhaupt nichts, Herr Gawain.« Und fast flüsternd fügte er hinzu: »Rhys, du hast mir aber nicht gesagt, daß du ihm dienst.« Er drückte sich näher an mich heran und blickte dann zu Eivlin auf. »Und deiner Freundin geht es auch besser, und alles ist also gutgegangen!« Er packte meinen Fuß und strahlte mich an. »Rhys, hat dein Herr dich gerettet, und hat er die bösen Krieger getötet wie in den Liedern? Mit seinem feurigen Schwert?«
Ich schüttelte den Kopf. »Nicht alle. Nur ein paar.«
Dieser Gedanke entzückte ihn. »Ich wünschte, ich wäre dabeigewesen. Ich kann auch Speere werfen. Ich hätte schon gegen sie gekämpft, als sie gekommen waren, aber.« Sein Gesicht wurde lang. Mir fiel ein, wie Elidan unter Medrauts Schlag mit der Fläche
des Schwertes niederstürzte.
»Vielleicht, wenn du älter bist«, sagte ich.
»Ich hätte gegen sie gekämpft«, sagte Gwyn leidenschaftlich. »Ich wünschte, sie hätten mich gelassen. In der vergangenen Nacht hatte ich Alpträume. Ich hab’ geträumt, sie hätten schreckliche Sachen mit dir gemacht und mit Mama.«
»Das tut mir leid«, sagte ich verlegen.
Er lächelte wieder. »Es war nicht so schlimm. Ich habe geschrien, so daß alle aufgewacht sind, und Mama hat mir warme Milch gegeben und mir vorgesungen, bis ich wieder eingeschlafen bin. Das hat sie nicht mehr getan, seit ich ganz klein war.«
Gawain lachte, und Gwyn schaute ihn an und wurde wieder verlegen. »Ich bin froh, daß du ihn gerettet hast, Herr Gawain.«
»Du kannst auch froh sein, daß er mich gerettet hat, denn das hat er wirklich.« Gwyn warf mir einen höchst beeindruckten Blick zu, und dann heftete er seine schwarzen Augen wieder auf Gawain. Mein Herr beugte sich nach vorn, stützte einen Arm auf die Knie. »Ich glaube, du hast einen Speer verloren, als du Rhys geholfen hast.«
Gwyn nickte bedauernd. »Es war ein guter. Hywel hat ihn mir gegeben. Ich kann zwar noch andere machen, aber ich weiß nicht, wie man die Spitzen richtig schneidet.«
»Vielleicht bekommst du den alten zurück, wenn du nach Hause gehst.« Gawain zog einen seiner Wurfspeere aus der Halterung und hielt ihn Gwyn hin. »Aber falls du ihn nicht wiederbekommst, nimm einfach diesen.«
Gwyn nahm ihn ganz langsam. Er wagte es kaum, zu atmen. Er umklammerte den Schaft ganz fest. »Danke, Herr Gawain.« Er machte noch einen weiteren Verbeugungsversuch.
»Geh gut mit ihm um«, sagte ich. Meine Stimme klang zu rauh; na, es war besser, als wenn sie gezittert hätte. »Übe damit. Werde ein guter Krieger, und dann komm nach Camlann. Der Kaiser Artus selbst war auch ein Bastard und ist in einem Kloster aufgewachsen. Du siehst, es geht doch.«
Gawain warf mir einen überraschten Blick zu. »Lerne auch gut«, riet er Gwyn. »Priester zu werden, das ist etwas Edles, und ich habe gehört, du sollst einer werden.«
Gwyn zuckte bei dem Gedanken die Achseln und streichelte den Speer. »Ich werde Krieger. Glaubst du wirklich, es kann sein?« fragte er mich ernst.
»Ja«, sagte ich fest. »Aber nur, wenn du daran arbeitest.«
Gawain lächelte und nahm die Zügel. »Nun, dann wünsche ich dir alles Glück der Welt, und du sollst willkommen sein in Camlann, wenn du dort hinkommst. Noch einmal meinen Dank.« Er berührte Ceincaleds Flanken, und das Pferd trabte davon. Ich folgte ihm. Ich ritt an Gwyn vorüber, der uns mit strahlendem Gesicht beobachtete und seinen Speer umklammerte. Als wir den Pfad ein Stückchen hinaufgeritten waren, hörte ich hinter uns ein triumphierendes Geheul, und als ich mich umdrehte, sah ich, wie Gwyn den Pfad hinunterrannte.
Gawain lächelte noch immer. »Das ist ein tapferer, mutiger kleiner Kerl. Aber du kannst doch nicht wirklich glauben, Rhys, daß er eines Tages nach Camlann kommt.«
»Vielleicht doch.« Ich schaute meinen Herrn nicht an. Aber ich spürte seinen neugierigen Blick, deshalb fügte ich hinzu: »Ich mag den Jungen, nach dem, was ich von ihm gesehen habe. Ich glaube, wenn er in Sankt Elena bleibt, verschwendet er seine Zeit. Es
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