Das Koenigreich des Sommers
Haar und Bart und brennenden blauen Augen schob sich zwischen den anderen Kriegern durch und warf die Arme um Gawain. Er rief etwas auf irisch. Mein Herr umarmte ihn auch und begann mit ihm in der gleichen Sprache zu sprechen. Das einzige Wort, das ich verstand, war der Name »Agravain«, und mir wurde klar, daß dies sein Bruder sein mußte. Die beiden sahen sich nicht sehr ähnlich. Nach dem, was ich gehört hatte, benahmen sie sich auch nicht ähnlich, und Agravain war bekannt und berühmt als Fußkämpfer.
Während Gawain hastig auf seinen Bruder einredete, lungerte ich an der Tür herum und lächelte, um anzudeuten, daß mir alles noch immer gefiel, obwohl ich so langsam die Begrüßungen satt hatte. Ich fragte mich, ob uns wohl jemand Essen anbieten würde, denn seit der Morgendämmerung hatten wir keins mehr gesehen. Nach kurzer Zeit bemerkte ich einen leichtgebauten, dunkelhaarigen, ernst aussehenden Mann, der uns beobachtete. Er war unauffällig gekleidet. Nur eine silberne Kette um seinen Hals zeigte seinen hohen Rang an. Ich lächelte, und er lächelte zurück und kam herüber zu mir.
»Meinen Gruß«, sagte er höflich. »Suchst du jemanden, Mann?«
»Noch nicht, Herr. Ich bin Gawain ap Lots neuer Diener, und ich warte darauf, daß er alle endlich begrüßt hat.«
Der Mann schaute mich mit Interesse an. »Gawains Diener. Das ist bei Gawain sehr unerwartet.«
»Das habe ich auch schon gehört. Eigentlich, Herr, bin ich nur zeitweise sein Diener. Er hat mir gesagt, er würde mir in Camlann eine Stellung besorgen, als ich ihn darum bat, mich hierherzubringen.«
»Du hast ihn drum gebeten?«
Ich stellte fest, daß ich grinste. »Nun, Herr, er hat bei meiner Familie gewohnt, also habe ich die Chance genutzt. Ich wollte schon immer hierherkommen.«
»In der Tat«, begann der andere, und er hätte mich noch mehr gefragt, aber Gawain riß sich von der Menge los und umklammerte den Arm meines Gegenübers.
»Bedwyr«, sagte er. »Hier bist du also. Wie geht es dir?«
Ich starrte den Mann an und versuchte zu glauben, daß er der war, der er sein mußte. Allerdings fehlte ihm die Schildhand. Bedwyr, der Mann, den der Kaiser zu seinem Feldherrn gemacht hatte, nachdem er schon jahrelang Führer der Reiterei gewesen war. Bedwyr, der engste Ratgeber des Pendragon. So ruhig, so unauffällig
hatte ich ihn mir nicht vorgestellt.
Er lächelte Gawain an. Es war ein tiefes, frohes Lächeln, das bis zu seinen Augen ging. »Alles ist in Ordnung. Camlann ist noch immer das gleiche. Aber wie geht es dir? Hast du gefunden, was du gesucht hast?«
Mein Herr hörte auf zu lächeln, und er schüttelte den Kopf. »Noch nicht. Es muß noch einmal versucht werden.«
Bedwyr warf ihm einen bedächtigen Blick zu. »Dann sieh zu, daß es im Sommer versucht wird. Ich glaube, diese Winterreise hat dich erschöpft.«
Gawain lachte. »Das liegt nur daran, daß ich von zu Hause weg war. Wo ist mein Herr Artus?«
»In seinem Zimmer. Er redet mit einem Boten aus Gallien über die hiesige Situation und über Handel. Wenn du ihn sprechen willst -die Unterredung ist nicht dringend.«
»Ich werde auf ihn warten. Wo ist denn Cei?«
»Der jagt. Es war ihm langweilig.«
»Das kann ich mir vorstellen. Es ist ja keiner da, mit dem er kämpfen kann.«
Agravain drängte sich wieder durch die Menge zu Gawain hinüber und packte ihn am Ellbogen. »Da du auf Artus warten willst, mußt du mit mir ein Glas Wein trinken und uns sagen, wo du gewesen bist.« Er zog seinen Bruder zum nächsten Tisch hinüber und rief nach Wein. Bedwyr schaute wieder mich an.
»Warum wolltest du denn hierherkommen, Gawains Diener?« fragte er mich.
Ich schaute ihn an. Er war ruhig und gelassen und widmete mir seine Aufmerksamkeit. Ich sprudelte heraus: »Herr, ich wollte dem Licht dienen.«
Bedwyr nickte gedankenvoll. »Ein sehr guter Grund. Willkommen also in Camlann.« Er drehte sich um und schlenderte hinüber zu dem Tisch, wo Gawain jetzt vor einem Glas Wein saß, umringt von Freunden. Sein Bruder redete auf ihn ein. Ich folgte zögernd. Gawain blickte auf, um Bedwyr willkommen zu heißen, dann bemerkte er mich und stellte eilig sein Glas hin. »Rhys! Dich hatte ich ganz vergessen. Agravain, das ist mein neuer Diener, Rhys ap Sion.«
»Ein Diener?« Agravain schaute mich wild an. »Gut. Ich hab’ dir schon vor Jahren gesagt, du brauchst einen. Versteht er was von Pferden?«
»Um Ceincaled soll er sich nicht kümmern«, sagte Gawain lächelnd. »Das tut
Weitere Kostenlose Bücher