Das Koenigreich des Sommers
Christen aber keinen Zauber kennen, dann kann meine Herrin ihn nur nicht töten, weil er so weit entfernt ist. Es muß einfach so sein. Es sei denn, jemand schützt Artus. Bist du sicher, daß es nicht solche Rituale gibt und daß du auch nichts von ihnen gehört hast?«
In einem Augenblick der Einsicht wußte ich plötzlich, woher sie den Gedanken hatte. »Wir haben ein Geheimnis, ein Ritual, an dem ich teilgenommen habe«, sagte ich ihr, »aber wir nehmen Brot und Wein, und nicht Fleisch und Blut. Wenigstens sieht es wie Brot und Wein aus. Meine Mutter hat das Brot schon manchmal dafür gebacken. Aber wir sagen, wenn die Verwandlung stattfindet, dann ist es wirklich Fleisch und Blut.«
»Ach«, sagte Eivlin. »Und ich hatte gedacht, es wäre eine mächtige Zauberei. Na gut.«
»Der Ritus ist mächtig«, sagte ich fest. »Es ist ein Wunder.«
»Und wegen diesem kleinen Abendessen« - sie schnippte verächtlich mit den Fingern -, »wegen dieser Zauberei, die gar keine ist, glaubst du nicht an Flüche? Wirklich, du bist dumm.«
»Ich habe keine Angst vor Flüchen«, sagte ich und biß die Zähne zusammen, und ich versuchte, ihr die Sakramente zu erklären und Jesus und seinen Sieg über Tod und Hölle. Das führte mich dazu, darauf zu bestehen, daß er sowohl ein Gott als auch ein Mensch sei, und ich verstrickte mich in meinen Thesen und brachte den ganzen Glaubensinhalt durcheinander. Eivlin beäugte mich skeptisch und machte ätzende Bemerkungen, und endlich gab ich verärgert auf. Ich zog mich zu der Behauptung zurück, daß ich vor irgendeinem Fluch keine Angst hätte.
»Das sagst du«, meinte sie. »Und dennoch hast du Angst vor meiner Herrin. Wirklich. Und vor mir wirst du auch Angst haben, weil ich verflucht bin, und mit Sicherheit wirst du mir in Zukunft aus dem Weg gehen.«
»O nein. Hab’ ich dir nicht heute meine Hilfe angeboten? Was deine Herrin angeht - hattest du gesagt, du müßtest heute das Bett andersherum drehen? Nun, mit der schweren Arbeit will ich dir helfen.«
Sie hob die Augenbrauen, aber in mildem, besänftigtem Tonfall erlaubte sie es mir. Ich half ihr also, und danach mußte ich ihr noch bei weiteren Arbeiten helfen, um ihr meinen Mangel an Furcht gegenüber Flüchen zu beweisen. Zuerst war ich wütend, aber dann freute es mich, daß ich ihr etwas bewies. Erst am Ende des Nachmittags bemerkte ich ihr wohlgefälliges, hinterlistiges Lächeln und schöpfte langsam Verdacht, daß sie mich zum Narren hielt.
Nichtsdestoweniger half ich ihr während der nächsten paar
Wochen, wann immer sie mich darum bat, um ihr zu beweisen, daß ich ihr nicht aus dem Weg ging und vor ihrem Fluch keine Angst hatte und auch nicht vor Morgas von den Orcades. Ich hatte vor, mich irgendwann einmal von ihr zurückzuziehen, aber Eivlin war trotz ihrer rundlichen Schönheit viel gerissener als jeder andere, dem ich je begegnet war. Auf einem Marktplatz wäre sie zu fürchten gewesen. Sie konnte so überzeugend sein wie ein Roßtäuscher, und sie war zweimal so scharfsinnig. Die einzige Person, die ihr je die Zügel anlegen konnte, war ihre Herrin. Gelegentlich sah ich auch Morgas, und beim zweiten Blick mochte ich sie nicht mehr als beim ersten. Sie achtete überhaupt nicht auf mich, abgesehen von der ersten scharfen Frage an Eivlin, aber Eivlin wirkte immer gedrückt und leise, wenn die Königin in der Nähe war, und stets schwieg sie eine Weile, selbst wenn ihre Herrin gegangen war.
Dennoch, als ich das Zimmer der Königin gesehen hatte und Eivlin half, aufzuräumen, fand ich keine Hinweise darauf, daß die Königin Zauberei ausübte. Ein paar Bücher lagen herum, aber sonst nichts, und ich konnte nicht entscheiden, was das für Bücher waren. Medraut bestand darauf, sie sei keine Hexe, und der Ruf, den sie hatte, sei nur üble Nachrede. Der pure Neid. Hervorgerufen dadurch, daß sie schön und intelligent und fähig in Regierungsangelegenheiten war. »Es kommt auch daher, daß sie manchmal eine gewisse Ausstrahlung hat. Mein Bruder sieht hin und wieder genauso aus.« Dennoch, ich meinte nicht, daß Morgas und Gawain sich irgendwie ähnlich waren, obwohl sie beide unheimlich wirkten. Ich wußte, daß Medraut sich irrte. Wahrscheinlich, so sagte ich mir, spricht er nur aus, was er gerne glauben würde.
Als ein paar Wochen vergangen waren, entschloß Rhuawn sich, darauf zu drängen, daß Gawain und Medraut anständig miteinander redeten und ihre Differenzen ausräumten. Er bat Medraut eines Nachmittags
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