Das Koenigreich des Sommers
hörte mir zu.
»Herr«, wiederholte ich, »hast du in der nächsten Stunde irgend etwas zu tun? Es gibt etwas, über das ich mit dir reden muß.«
Er seufzte. »Nein, nichts Dringendes. Maelgwyn hat heute morgen zu tun. Nur. muß es sein?«
Ich schaute ihn verärgert an. »Ja. Unter vier Augen.«
Er richtete sich auf. »Na, in dem Fall. Braucht dein Pferd Bewegung?«
Bald hatte ich meinen elenden Klepper aus Caer Legion gesattelt, und wir ritten hinaus in die Berge. Es war Ende April, und der Schnee war schon geschmolzen. Die ganze Erde war grün und nebelig, und die Bäche rauschten. Ich mußte an die Zeit der Saaten denken und an das grüne Korn und an die jungen Lämmer und die Kälber, die es jetzt zu Hause zu versorgen galt. Der Frühling bringt eine Menge Arbeit, aber er ist eine wunderschöne Jahreszeit.
Gawain summte geistesabwesend eine Weile vor sich hin, und er sang auch ein wenig auf irisch. Ich versuchte, meine Gedanken zusammenzunehmen, und ich fragte mich, wie ich sie ihm wohl vermitteln sollte. Schließlich war sie seine Mutter, und Krieger töten wegen übler Bemerkungen über die Mutter.
»Herr«, sagte ich endlich.
»Also«, erwiderte Gawain, »du willst über meinen Bruder reden?«
Ich war erstaunt. »O nein, Herr. Über deine Mutter.« Und ich erzählte ihm, was Morgas an diesem Morgen zu mir gesagt hatte, und daß ich gesehen hatte, wie Maelgwyn zu ihr ging, »um zu reden.«
Gawain hörte mich geduldig an, und als ich endlich zögernd innehielt, sagte er: »Du glaubst, sie begeht Ehebruch mit Maelgwyn?«
»Herr« - ich holte tief Atem -, »mit allem Respekt, ja, das glaube ich.«
Zu meiner Überraschung lächelte er bitter. »Sie tut es, selbst wenn du es bezweifelst.«
Ich hielt mein Pferd an. »Du weißt davon?«
Er nickte und machte mit offenen Händen eine Geste. »Ich kenne meine Mutter. Und ich habe Maelgwyn beobachtet. Die ganze Festung weiß es, obwohl sie vor uns natürlich dergleichen nie erwähnen würden. Sie ist in der Angelegenheit ganz offen gewesen. Maelgwyn könnte mir fast leid tun, wenn ich nicht noch mehr Mitleid für Lot hätte.«
Mein Gesicht fühlte sich heiß an, und ich schaute zwischen den Ohren meines Pferdes durch. Daß ich in solcher Hast und mit solcher Dringlichkeit mit so abgestandenen Nachrichten zu meinem Herrn gekommen war! »Lot weiß es auch?« fragte ich.
»Er wußte es wahrscheinlich schon, ehe er auf den Inseln die Segel gesetzt hat.« Ich blickte abrupt auf, und er fügte schnell hinzu, während er mich nicht anschaute: »Nein. Es ist ihm nicht gleichgültig. Er könnte dem nicht zustimmen - nur, er kann ihr nicht länger irgendeinen Wunsch verweigern, der ihr gerade in den Sinn kommt. Er kann nichts mehr selbst entscheiden, Rhys. Er hat noch immer Wünsche, er hat noch immer einen Willen, aber er kann nicht handeln. Er.« Gawain streckte mit einer müden Bewegung die Hand in die Luft. »Er ist dahingewelkt. Er ist jetzt nur noch ein Schatten, ein Geist unter seinen eigenen Kriegern, ein Gespenst, das starrt und nicht sprechen kann. Ich kann hingehen und mit ihm reden, ich kann ihm erzählen, wie die Dinge stehen mit Agravain und mit mir selbst, und er freut sich über dieses und jenes, aber handeln« - seine Hand ballte sich krampfhaft -, »er ist wie eine Puppe. Und er ist auch derjenige, der einmal der Schild seines Volkes war, das Bollwerk seiner Truppe, der Anführer von tausend
Speeren. Er war der Herr von Dun Fionn auf den Orcades und allen Inseln im Norden und Westen von Kaledonien. Er war Herrscher durch seine eigene Kraft, durch seinen Scharfsinn und seinen Mut! Lieber Himmel, wie sie ihn benutzt hat!« Er ließ die Hand auf seinen Schenkel sinken, hob sie dann noch einmal und richtete die Finger mit Anstrengung aus. Er rieb über das abgenutzte Leder der Zügel und schaute zu den Bergen hinüber. Ceincaled warf den Kopf hoch und ging weiter. Die Hufe unserer Pferde dröhnten in ständigem Rhythmus auf der Erde.
Ich saß ganz still. Ich wußte, daß ich nichts sagen konnte und daß es am besten war, ihn eine Zeitlang in Ruhe zu lassen. Es überraschte mich nicht mehr, warum er soviel Zeit allein verbrachte, und ich begriff auch, warum er sich in sich selbst zurückzog, wenn er in Degganwy war. Er hatte schon genug Sorgen, ohne daß Rhuawn und ich ihm noch zusätzliche Schwierigkeiten machten. Jesus, was für eine Familie! Ausgenommen Medraut konnte mein Herr es sich gut leisten, den ganzen königlichen Clan von den Ynysoedd
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