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Das Koenigreich jenseits der Wellen - Roman

Das Koenigreich jenseits der Wellen - Roman

Titel: Das Koenigreich jenseits der Wellen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Hunt
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in ein Hühnerbein, als sei er ein großer Hund. »Ich vermute, dass das auch so bleiben wird.«
    »Das vermute ich auch. Einige kleine Veränderungen sind immer gut für das System.«
    »Während große Veränderungen besser als Krebsgeschwür beschrieben würden«, sagte Cornelius. »Als etwas, das mit der Klinge eines Chirurgen ausgemerzt gehört.«
    »Oder vielleicht mit einer Pflanzkelle?«, fragte Quest. »Jemand Ihres Namens veröffentlichte vor vielen Jahren einmal einen Aufsatz über die Pflege von Bäumen, die von der ferniethischen Weidenkrankheit befallen wurden, im Gartenbau-Journal.«
    »Sie haben ein sehr gutes Gedächtnis.«
    »Ich habe ein abartig einzigartiges Gedächtnis«, verbesserte Quest. »Allerdings muss ich gestehen, für mich ist es mindestens ebenso oft ein Fluch wie ein Segen. Ich kann Ihnen die Farbe der Schürze sagen, die der Schankjunge der ersten Kneipe trug, die ich im Alter von sechs Jahren aufsuchte. Ich kann Ihnen die Gespräche wiedergeben, die ich dort mit anhörte. Ich kann Ihnen genau sagen, was wir damals tranken, in welcher Reihenfolge, und was wir dafür bezahlten. Aber leider ist das Gedächtnis allein nur Staub, wenn keine Weisheit für seine Verwendung damit einhergeht. Mir sind
seit langem keine Berichte aus Ihrer Hand in irgendwelchen Zeitschriften mehr aufgefallen.«
    »Ich verbringe meine Zeit in meinem Garten auf den Felsnaseninseln mit praktischeren Dingen«, erklärte Cornelius. »Ich lese das Gartenbau-Journal noch immer, aber seit ich Quatérshift verließ, habe ich nicht mehr das Bedürfnis verspürt, eine Feder zur Hand zu nehmen.«
    »Großartig«, sagte Quest. »Die meisten Menschen, die ich bei gesellschaftlichen Anlässen treffe, denken, sie arbeiteten im Garten, wenn sie dem obersten Gärtner den Auftrag geben, die Rasenwalze aus dem Schuppen zu holen.«
    »Sie wollen mir doch nicht etwa sagen, dass der reichste Mann in Jackals seine Zirkeltage in den Rosenbeeten hinter dieser Festung zubringt?« Cornelius klang amüsiert.
    »Mehr oder weniger.« Quest nickte. »Ich habe ein Gewächshaus oben auf dem Dach und hüte dort eine Sammlung seltener Orchideen. Ihre Aufzucht und Pflege entspannt mich. Es überrascht mich, dass Sie keine der Karikaturen gesehen haben, mit denen sich die Dock Street so gern über meine Freizeitbeschäftigung lustig macht.«
    »Ich lese lieber die Presse aus Quatérshift«, sagte Cornelius.
    »Tatsächlich?« Quest hob eine Augenbraue. »Es wundert mich, dass immer noch Zeitungen über die Grenze kommen. Ich dachte, sie sei geschlossen.«

    »Oh, Sie wären überrascht, was noch alles über den Fluchwall gelangt. Auf dem einen oder anderen Weg.«
    »Ich bin sicher, dass mich gar nichts überrascht, was die menschliche Natur betrifft.« Quest lächelte. Falls Cornelius’ Bemerkung ihn beunruhigt hatte, ließ er es sich nicht anmerken. »Kennen Sie sich mit Orchideen aus, Compte de Spééler?«
    »Ich bin auf einem Bauernhof aufgewachsen«, sagte Cornelius. »Bei meiner Ausbildung legte man mehr Wert auf den praktischen Gartenbau. Düngung und Bewässerung, die Pflege von Apfelhainen, Rollgerste, Birnbäumen …«
    »Ich selbst wuchs in den Gassen von Middlesteel auf«, erklärte Quest. »Billiger Jinn und kalte Nächte in der Gosse mit den anderen Straßenkindern. Meine Kindheit verbrachte ich in sehr schlechter Gesellschaft. Aber ich liebte die Pflanzen vom Driselwell-Markt, die kleinen Farbtupfer im grauen Dunst, die Händler aus Ländern, deren Namen ich nicht einmal buchstabieren oder in einem Atlas hätte auffinden können. Es war einer dieser Händler, der mir meine erste Chance gab – er bot mir eine ehrliche Arbeit, brachte mir das Lesen bei und machte mich so weit mit der Rechenkunst vertraut, dass ich ihm dabei helfen konnte, seine Bücher zu führen.«
    »Vom Gehilfen eines Markthändlers bis hierher«, sagte Cornelius und deutete auf den Tanzsaal, in dem sie sich befanden. »Das war sicherlich auch kein leichter Weg.«
    »Es war überraschend leicht«, beeilte Quest sich zu
sagen, »und außerdem sehr unterhaltsam. Tatsächlich kommt es mir so vor, dass mir der Weg dorthin mehr Spaß gemacht hat als nun das Ziel. Als ich ohne Dach über dem Kopf auf der Straße lebte, konnte ich mir nicht einmal einen der Töpfe, in denen meine Orchideen heute auf den Markt gelangen, als Pisspott leisten, von den Blumen selbst gar nicht zu reden. Jetzt besitze ich eine Sammlung der seltensten Exemplare von ganz Jackals. Vielleicht

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