Das Koenigreich jenseits der Wellen - Roman
kann ich Sie für meine Sache gewinnen.«
»Mich?«
»Vielleicht kann ich Sie zu einem Orchideenfreund machen, Compte de Spééler.« Quest deutete zum Dach hinauf. »Ich bin sicher, dass ich etwas Zeit erübrigen kann, um einen Abonnementskollegen des Gartenbau-Journals ein wenig herumzuführen.«
Seltene Orchideen und die Gelegenheit, sich nach den Beweisen für das noch viel seltenere Hobby, den Handel mit antiken Dampfmann-Teilen, umzusehen – wie hätte Cornelius da Nein sagen können?
Während die anderen Kutscher, Diener und Mietdroschkenfahrer im Licht ihrer Laternen am Hintereingang von Whittington Manor beim Würfeln zusammensaßen, hatte sich Septimoth in die alte Postkutsche zurückgezogen, statt auf dem Bock sitzen zu bleiben. Die Pferde hatte er im Stall des Gutshauses angebunden; sie waren alle vier genug an ihn gewöhnt, um in seiner Gegenwart nicht nervös zu werden und nicht
etwa zu fürchten, dass der Laschlit aus großer Höhe auf sie herabstieß und seine Krallen in ihren Rücken schlug. Es war eine zähe Aufgabe, den Voraussagen der Seher von der roten Feder zu folgen und auf der Suche nach den Leichen alter Dampfmänner durch ganz Middlesteel zu ziehen. Wie viel reiner war da seine Rache. Wie viel einfacher war es da, aus dem Himmel über Quatérshift zu kommen und den Mördern die Blutschuld zurückzuzahlen, die er seinem Clan schuldete. Revolutionäre zu töten und den teuflischen Feueratem-Nick in ihrer Mitte abzusetzen, damit er unter ihnen Angst und Schrecken verbreitete. Das war befriedigend. Beinahe so sehr wie eine gute Jagd mit seinem Volk.
Septimoth hatte gedacht, dass der Hass, den er für die Mörder seines Stammes empfand, mit der Zeit verblassen würde. Aber nur die Erinnerungen an seine Familie waren schwächer geworden. Er konnte nicht länger das Gesicht seiner Mutter heraufbeschwören oder sich an die Züge seiner Lebensgefährtin und ihrer vier Kinder erinnern. Er vermochte sich die Ereignisse, die sie zusammen durchlebt hatten, ins Gedächtnis zu rufen – die erste Mauser seiner Kinder, die Freude, die er bei ihrer Geburt empfunden hatte, ihr Stolz, als man ihn zum Botschafter an den Hof des Sonnenkönigs berief, und wie er seinen Kindern die Affenkehlensprache beigebracht hatte, damit ihnen ihr Wissen später beim Handel und im Umgang mit anderen von Nutzen sein konnte. Er erinnerte sich an ihre jungen Stimmen, wie sie die Lautlehren sangen, aber nicht an ihre Gesichter.
Wie seltsam doch die grausamen Spiele des Gedächtnisses waren. Während seine Erinnerungen verblassten, wuchs seine Sehnsucht nach seiner Familie, sein Hass wurde Woche um Woche nur stärker und reiner, ein schimmernder Diamant, der im Trümmerfeld seiner Seele steckte. Das Blut seiner Feinde linderte seinen Schmerz nicht mehr, aber zumindest lenkte ihn die Rache von den Erinnerungen ab. Und von ihrem Fehlen.
Septimoths Trance wurde unterbrochen, als draußen Stimmen laut wurden, und darunter war eine, die er wiedererkannte. Sein Jagdverstand suchte die vielen Tausend Laute ab, die er in diesem Jahr gehört hatte, und ordnete sie ihren Besitzern zu. Der kleine Schläger, der die Truppe angeführt hatte, die Bunzal Kohlenschmelzer entführt hatte. Eine Kutsche, der Hüter Fleetwood nicht unähnlich, wurde aus einem Durchgang gezogen, den man in die kantigen Mauern des Herrenhauses gebrochen hatte, wobei der ursprünglich beim Bau verwendete dicke Beton nur oberflächlich mit einer Ziegelfassade verkleidet worden war. Auf dem Kutschbock hockte der Kerl, der Septimoth und Cornelius zum Jinn-Palast auf dem Gambleflowers geführt hatte, und während der Kleine selbst die Zügel hielt, saß ein weiterer Mann neben ihm, den Septimoth nicht erkannte. Die Ohren des Laschliten bebten. Die zwei stritten sich.
»Hast du gesehen, was das für eine scharfe Braut da drinnen war?«
»Das waren Catosierinnen, Mann. Die reißen dir die Kronjuwelen aus der Hose, wenn du sie bloß von der Seite anguckst.«
»Nun ja, wir haben heute Abend ja nicht mal was zu beißen gekriegt. Wir mussten ja diese Ladung durch halb Jackals schleppen. Wenn ich ein verdammtes Kutschunternehmen hätte führen wollen …«
»Sag mal, bist du blöd oder was? Die werden diesen Kram doch wohl nicht der Post anvertrauen! Wir werden bezahlt.«
»Nicht gut genug, Kumpel, nicht gut genug.«
Die Räder der nun davonfahrenden Kutsche waren, um weniger Geräusch zu machen, mit Lumpen umwickelt worden. Dieser alte Kutschertrick
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