Das Koenigreich jenseits der Wellen - Roman
wurde normalerweise weniger aus Rücksichtnahme auf die schlafenden Bewohner der Dörfer gebraucht, durch die das Fuhrwerk rumpelte, sondern vor allem, weil die Kutscher lauernden Räubern keinen Hinweis auf ihr Herannahen geben wollten. Wohin diese beiden nun auch fahren mochten, ihr Ziel war kaum der schwimmende Jinn-Palast der Gibbonkatz, sondern lag wesentlich weiter entfernt.
Septimoth klinkte die Tür der weniger einsehbaren Seite der Kutsche auf und schlüpfte leise hinaus; er verschwand im Dunkel der Gärten, bevor er sich in die Lüfte schwang. Heute Nacht, so vermutete er, würde Cornelius selbst zu den Felsnaseninseln zurückkutschieren müssen. Der Wind, der über die Hügel strich, gab Septimoth Auftrieb und trug ihn mühelos weiter
in die Höhe. Er neigte seine Flügel, fühlte den herrlichen Luftzug unter seinen Federn und Schuppen, und er glitt leicht hinter der Kutsche her, die unter ihm auf der einfachen Schotterstraße kaum mehr als ein schwarzer Punkt wahrzunehmen war. Das Knallen der Peitsche war noch über dem Donnern der Pferdehufe zu vernehmen. Die beiden Männer trieben ihre Gäule hart an. Offensichtlich wollten sie ihre Reise im Schutz der mondlosen Nacht hinter sich bringen. Das war auch angeraten, wenn man komische Fragen der Landkonstabler vermeiden wollte, die ihre Reittiere jetzt in den Ställen untergestellt hatten und in den Zollhäusern der königlichen Straßen bei den dortigen Wächtern schliefen.
Aber eine wolkenverhangene Nacht diente auch einem verfolgenden Laschliten.
Cornelius folgte Abraham Quest durch eine Reihe von Tanzsälen bis zu einer alten eisernen Sprengschutztür, vor der vier catosische Soldatinnen standen, die den Hausherrn grüßten und die Tür für ihn öffneten, die in den Hauptteil des Herrenhauses führte. Quest hatte die Frauen mit den kirschroten Jacken ausgestattet, die eigentlich zur Uniform eines jackalianischen Fechterregiments gehörten, einer Privatarmee, die dem Parlament in Kriegszeiten unterstützend zur Seite stand. Ohne die gesteppten Kriegswesten, die von den freien Kämpferinnen normalerweise bevorzugt wurden, sorgten die durch Schimmergenuss enorm gewachsenen Muskeln
dafür, dass die Fechterjacken fünf Nummern zu klein wirkten – als ob jemand die Soldatinnen in Kinderkleidung gesteckt hätte.
»Sie wissen Ihre Privatsphäre zu schützen«, sagte Cornelius.
»Sie meinen die Mädchen? Sie sind hier, um mein Leben zu schützen, nicht meine Privatsphäre. Sie sind sehr effektiv. Schon seit Monaten gab es keinen Versuch mehr, mich zu vergiften oder sonstwie zu ermorden. Meuchler kommen heutzutage kaum noch bis an die Stelle, an der wir uns jetzt befinden.«
»Wer hätte gedacht, dass es so anstrengend wäre, der reichste Mann von Jackals zu sein«, sagte Cornelius.
»Es ist nicht mein Geld, das die Assassinen hierherlockt. Ich habe keine Erben, und wenn ich einen ›Unfall‹ hätte, wie lange würden meine Unternehmen wohl ihre Vormachtstellung behalten, wenn ich sie nicht mehr leitete? Ich gebe mich keinerlei Illusionen hin, was die Langlebigkeit eines Imperiums betrifft, das sich auf die Hoffnung gründet, die Kinder könnten sich ihren Eltern als ebenbürtig erweisen. Wenn ich Nachkommen hätte, würde ich nicht wünschen, dass sie denselben Weg gehen wie ich, nicht einmal, wenn sie es könnten. Jedes Unterfangen, das sich auf Abstammung und Familie stützt, ist zum Scheitern verurteilt; das trifft auch auf meine zu. Ich bin durch meine harte Arbeit und den Verlauf meines Lebens bis hierher gekommen – durch nichts weiter.«
»Dann sollten wir dem Zirkel dafür danken, dass unsere
großartige Demokratie die Monarchie abgelöst hat«, sagte Cornelius.
»Ja.« Quest lächelte. »Dem Zirkel sei Dank dafür. Haben Sie Kinder, Compte?«
»Ich hatte einst eine Frau, die ein Kind trug.«
»Hatte?«
»Die Revolution in Quatérshift.«
»Ah.« Quest nickte verständnisvoll. »Das tut mir leid. Wie Sie schon sagten, dem Zirkel sei Dank für Jackals und unsere Demokratie.«
Sie betraten das Herz der alten Festung, ein Atrium, das einen Blick auf die vier Geschosse über ihnen freigab. Eine Brüstung verhinderte den Sturz in einen Abgrund, der sich schwindelerregend vor ihnen auftat – hier ging es zahllose Stockwerke hinab, so tief, dass die Gasbeleuchtung die untersten gar nicht mehr erfasste. Die Architekten, die diese Festung zum Herrenhaus umgebaut hatten, hatten ihr Bestes getan, um die Funktionalität der Munitionsaufzüge
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