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Das Koenigreich jenseits der Wellen - Roman

Das Koenigreich jenseits der Wellen - Roman

Titel: Das Koenigreich jenseits der Wellen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Hunt
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erlebte. Wie oft sind Sie über einen Menschen hinweggestiegen, der nachts in Lumpen gehüllt auf der Straße lag, zitternd, hungernd und frierend? Wie oft haben Sie weggesehen, wenn Straßenkinder auf den Prachtalleen von Middlesteel Ihre Kutsche umringen und ihre abgemagerten Hände nach ein paar Pennys ausstreckten, damit sie sich davon genug Jinn kaufen können, um
die Leere in ihrem Leben auszulöschen? Wie oft haben Sie in der Zeitung schnell weitergeblättert, wenn Sie einen Artikel über Kriege, Massaker und Hungersnöte erblickt haben? Wie oft, Compte, wie oft kann man so etwas sehen, bevor man etwas unternimmt?«
    »Ich gehe nicht oft unter Leute«, sagte Cornelius, »und von Utopien habe ich seit Quatérshift genug. Meiner Meinung nach haben Utopien deutliche Schwächen.«
    »Irgendetwas an Ihnen ließ mich bereits vermuten, dass Sie ein Philosoph sind«, erwiderte Quest. »Quatérshift liegt in Trümmern, weil das dortige Gemeinwesen der menschlichen Natur völlig entgegenläuft. Es geht davon aus, dass alle Menschen edler Gesinnung sind und das Wohl anderer über das eigene stellen – alles für die Gemeinschaft, nichts für sich selbst. Und dann ist man entsetzlich enttäuscht, wenn die Bürger diesem unmöglichen Ideal nicht entsprechen. Wir sind selbstsüchtige Affen, die in Kleidern herumlaufen, und man kann keine korrupte Autokratie nehmen, die Wölfe ermorden und dann erwarten, dass die Schafe sich nun selbst regieren, ohne dass andere Raubtiere auf der Bildfläche erscheinen, um die Herde zu kontrollieren. Jedenfalls ganz sicher nicht, solange die Narren im Ersten Komitee glauben, die dreifache Ausfertigung eines Pergaments, auf dem steht, dass die Menschen versorgt werden müssen, würde reichen, um sie wirklich zu versorgen.«
    »Reden wir immer noch von Quatérshift?«, fragte Cornelius.

    »Natürlich«, antwortete Quest mit einem Lächeln.
    »Wenn man den Staat nicht ändern kann …«
    Quest zuckte die Achseln. »Dann muss man das Volk ändern, oder zumindest das, woran das Volk glaubt.«
    Das Geräusch zerberstenden Glases über ihren Köpfen unterbrach die Überlegungen des Fabrikbesitzers. Eine dunkle Gestalt fiel durch das Loch in der Decke und zerstörte dabei einige Heizungsrohre, deren Ventile zischend erwärmtes Wasser über den Mosaikboden laufen ließen. Ein gedungener Mörder ließ sich mittels eines Zugseils herab, und er hatte eine Pistole in der Hand! Cornelius schubste Quest zur Seite und duckte sich, und der Schuss verfehlte sie beide. Der Eindringling schwang sich über der Stelle hin und her, an der Cornelius gestanden hatte. Quest, der sich wieder aufgerappelt hatte, ergriff den Mann, und beide schwebten unversehens auf das Dach des Wintergartens zu.
    Cornelius rollte sich zur Seite und schoss eine Reihe von Gaskugeln auf den Angreifer ab – dann jedoch sah er, dass jener eine Gasmaske trug, die ihn sowohl vor den Verteidigungsmechanismen des Hauses wie auch vor den Waffen in Cornelius’ Arm beschützte. Aber sein Gastgeber erwies sich für einen Kaufmann als erstaunlich gewandt und widerstandsfähig. Er schlang einen Arm um eine Dachstrebe und nutzte den Schwung des Assassinen mit dem Geschick eines Trapezkünstlers, um sie beide gegen einen Stützbalken segeln zu lassen, so dass sein Gegner die Wucht des Aufpralls abbekam. Beide fielen nun zu Boden; der Eindringling stürzte
schwer hinab wie ein Sack Kanonenkugeln, während Quest eine elegante Drehung in der Luft machte und die Knie für eine sanfte Landung anwinkelte.
    Sie stürzten in den Bereich mit den fleischfressenden Pflanzen, die sich in ein zuckendes Feld von Stacheln und rasiermesserscharfen Blattwedeln verwandelten. Der Assassine versuchte, sich das gefährliche Grün lange genug vom Hals zu halten, um sich mit einem Sprung in Sicherheit zu bringen, während Abraham Quest die Pflanzen mit windmühlenartigen Bewegungen abwehrte, als plötzlich vom Dach her lautes Dröhnen ertönte. Glocken! Die Glocken des Herrenhauses läuteten – die alte Festung hatte ihre Wachposten, und die schliefen nicht. Eine Gruppe catosischer Wächterinnen stürmte mit Armbrüsten bewaffnet aus einer Tür hinter Cornelius hervor. Cornelius senkte seinen Waffenarm, als die Köpfe der Armbrustbolzen explodierten und Stahlnetze, die mit Kupferkugeln beschwert wurden, sich um den Eindringling wickelten, der noch auszuweichen versuchte. Ein Funkenregen tanzte über seine Brust, Zeitzünder an den Kugeln versetzten ihm Schläge mit

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