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Das Koenigreich jenseits der Wellen - Roman

Das Koenigreich jenseits der Wellen - Roman

Titel: Das Koenigreich jenseits der Wellen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Hunt
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haben keine Schafe gehalten«, sagte Amelia. »Das hier ist wie ein Schafsbad. Wir werden entlaust.« Sie klatschte auf die Oberfläche der dickflüssigen Brühe. Schwarze Punkte trieben an die Oberfläche, tote Moskitos und andere Insekten, die es sich in ihren abgetragenen, schweißgetränkten Kleidern bequem gemacht hatten.
    Bull lachte. »Na, das schlägt ja wohl alles. Sie haben wahrscheinlich Recht. Die schrubben uns ab, bevor sie uns auf die Auktionsplattform bringen.«
    »An wen wollten sie uns wohl verkaufen?«, fragte Amelia. »Sie alle sind ein einziges Wesen, und wenn man Eisenflanke Glauben schenken kann, dann besteht ihr einziger Kontakt mit allem außerhalb ihres Reiches darin, es zu fressen und so zu absorbieren.«
    Doch während sie noch blaue Schlieren auf dem Boden hinter sich ließen, gingen sie bereits ihrem neuen Besitzer entgegen. Die letzte Tür öffnete sich wie ein Pupillenschlitz und enthüllte einen höhlenartigen Raum, düster und kühl und vielfach von Lichtstrahlen durchbrochen, die aus schmalen Öffnungen in der Decke hineinfielen. Drinnen wuchsen Pflanzen, kletterten übereinander, über Tausende von Jahren geformt und dazu geschaffen, bestimmte Funktionen auszuführen – wie organische Maschinen, die von gefügigen Wesen
bedient wurden: von Baumaffen und winzigen Donnerechsen mit geschickten Händen, allesamt von jenem grünen Schleim bedeckt, der sie als Sklaven des einzigen Willens erkennbar machte. Der Schöpfer dieses Willens saß auf einem erhöhten Podest am Ende des Saales, umgeben und verdeckt von einem Halbrund Wächter. Hier handelte es sich nicht um die Kaste der Flusswachen, die Amelia auf dem Tauchboot und dem Saatschiff gesehen hatte; es waren hoch aufragende, breit gebaute Wesen, Bäume, die zu zahnbewehrten Raubtieren von Elefantengröße geworden waren und eine knotige, rindenharte Haut besaßen. Als Amelia dem Podest etwas näher kam, konnte sie durch die Lücken zwischen den Leibwächtern einen kurzen Blick auf die lenkende Intelligenz der Daggischten werfen, auf jenen kalten Verstand, der in Tausenden von gestohlenen Körpern lebte und durch das pflanzensaftähnliche Blut im Herzen des finsteren Dschungels pulsierte. Der Herrscher der Daggischten.
    Der Regent dieses lebenden Reiches war hoch wie ein Eichbaum und hätte größer ausgesehen, aber viele Zeitalter lang hatte neue Borke den Torso dieser Intelligenz an Umfang wachsen lassen, bis er so breit wie der Wachtturm einer Festung war. Wie viele Ringe hätte sie wohl gezählt, fragte sich Amelia, wenn sie eine Axt an dieses Ungeheuer gelegt hätte? Eine kleine Armee dienstbarer Wesen krabbelte auf ihm herum, kleine Beuteltiere, deren Fell von den Kontrollalgen geglättet worden war, die ein Muster auf der Haut gebildet
hatten. Die Tierchen säuberten die Risse in der Rinde ihres Herrn und hielten den Bewuchs durch Parasiten in Schach, die nach einem Zeitalter auf dieser Erde an ihm nagten. Der Herrscher sandte einen stillen Befehl aus, und zwei seiner trollgroßen Wächter traten beiseite, so dass er Amelia und den Anführer der Meuterer von der Sprite betrachten konnte. Auf einer der Erhebungen, die kreisförmig um seinen knollenartigen Kopf liefen, war etwas an der Rinde befestigt, das beinahe an eine Krone erinnerte. Es wirkte vertraut. Amelia ignorierte den durchdringenden Blick des Daggischtenherrschers und sah dorthin, wo sich oberhalb seiner Augen das Krönchen befand. Wo hatte sie so etwas schon einmal gesehen? Dann fiel es ihr wieder ein. Das Kristallbuch in Middlesteel, Abraham Quests überraschende Entdeckung. Es glich dem Kopfschmuck, den Pairdan, der Leseverwalter von Camlantis, bei seiner Aufzeichnung getragen hatte. Ein Relikt vom Fall der Stadt. Aber wieso sollte diesem schrecklichen Wesen derartiger Flitterkram etwas bedeuten?
    Als dieser uralte Verstand sich umwandte, um zu der Mauer aus Grünmaschinen hinüberzublicken, die sich hinter dem Podest erhob, trottete eine warzenschweinähnliche Kreatur nach vorn, deren Lippen und Mund so verzerrt waren, dass sie unnatürlich groß wirkten, beinahe wie die Kopföffnungen eines Menschen. Noch bevor das Tier sein zerwuchertes Maul öffnete, wusste Amelia, wozu es diente. Es war ein Übersetzer. Etwas, das noch einen Funken vom Bauplan eines Menschen
in sich trug, damit es sich mit einer menschlich klingenden Kehle ausdrücken konnte. Die Tatsache, dass offenbar jeder Funken Menschlichkeit, der noch in ihren alten Schiffskameraden gesteckt haben

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