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Das Koenigreich jenseits der Wellen - Roman

Das Koenigreich jenseits der Wellen - Roman

Titel: Das Koenigreich jenseits der Wellen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Hunt
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überlebt.«
    »Ja, das merke ich schon«, sagte Bull. »Aber Sie haben auch noch nie mit jemandem von meiner Qualität zusammengearbeitet. Ich habe die Exilflotte überlebt, die Arbeit an den Flussufern von Liongeli und die Wassertanks von Bonegate. So was wie das hier«, er machte eine Bewegung in Richtung Korridor, »das bringt mich erst richtig in Schwung.«
    »Sie sind aus demselben Holz wie Jared Black«, sagte Amelia. »Das höre ich schon an Ihrer Angeberei.«
    »Er ist ein nutzloser alter Knacker, der das aufgab, woran er früher geglaubt hat«, sagte Bull. »So etwas würde ich niemals tun.«
    Amelia bedeutete ihm, dass sie beide in den Flur treten sollten, der Sklavenhändler zuerst. »Der Kommodore hat sich den veränderten Zeiten angepasst. Ich würde das als Zeichen für Intelligenz betrachten.«
    Wenige Sekunden, nachdem sie hindurchgegangen waren, verfestigte die Wand sich wieder. Amelia widerstand der Versuchung, zurückzugehen und auszuprobieren, ob sie sich ebenso willig wieder für sie öffnen würde wie zuvor, als sie den Raum verlassen hatten.
    Sie waren den Flur halb hinuntergegangen, als die Luft um sie herum wärmer zu werden schien – ein lauer Wind strich durch den Gang. Amelia blieb stehen, misstrauisch geworden, und nahm die Wände und den Boden genauer in Augenschein. Es gab hier keinerlei
besondere Merkmale, ebenso wenig wie in der Kammer, in der die Tauchkugel stand.
    »Was ist?«, fragte Bull.
    »Es wird wärmer.«
    »Erwarten Sie etwa, dass uns eine Feuerwand den Gang hier hinunterjagt?«
    »Mindestens.« Sie fuhr mit der Hand über die Wand, die nicht so recht aus Email, aber auch nicht so recht aus Glas zu bestehen schienen. »Hier liegt überhaupt kein Staub, es gibt keine Wasserlachen, keinen Dreck. Als hätte man hier vor ein paar Minuten erst saubergemacht.«
    »Die Wände haben hier eine andere Farbe«, sagte Bull und klopfte gegen die Seite des Gangs. »Und sie fühlen sich auch anders an.«
    Die Seitenwände veränderten sich noch mehr, als sie dem Korridor weiter folgten – aus dem glatten, grauen Material wurde etwas, das an grünes Glas erinnerte. Amelia ließ, während sie weiterging, ihre Finger über die kühle Oberfläche gleiten. Plötzlich wurde das Glas völlig klar. Bull wirbelte herum. Blendend helles Licht durchflutete den Gang, und viele längliche grüne Glasplatten drehten sich auf der anderen Seite der nun völlig durchsichtigen Wand. Sie sahen zu, wie die drehenden Platten Szenen, Bilder und Geräusche der Welt draußen wiedergaben – graue, Regen bringende Wolken ballten sich über den Druckluftgebäuden von Middlesteel zusammen, ein Viehhirte trieb eine Schar Gänse eine Landstraße entlang. Es gab keine Ordnung in diesen
Bildern. Einige wirkten vertraut, andere zeigten so exotische Nationen, dass Amelia nur raten konnte, woher sie stammten.
    »Das ist der Marktplatz von Coldkirk«, sagte Bull. »Dort habe ich mich einen Winter lang aufgehalten, als mich die Presser in Jackals jagten.«
    »Und das ist in Cassarabien«, ergänzte Amelia. »Die königlichen Wassergärten von Bladetenbul. Sie sind wie die Bilder aus einem Kristallbuch.« Fest drückte sie ihre Hand gegen die Barriere und stellte fest, dass ihre Finger nicht einmal einen Fleck auf der Oberfläche hinterließen. »Aber bei dieser Wand hier glaube ich, dass vielmehr das Glas die Aufzeichnung enthält.«
    Bull deutete auf die Szenen jackalianischen Lebens, das über die geschnittenen Platten floss. »Das ist keine uralte Aufzeichnung aus einem Kristallbuch. Das geschieht jetzt.«
    Als sie den Gang weiter hinuntergingen, veränderten die Szenen sich allmählich. Es waren zunächst nur Kleinigkeiten – die Straßen führten weiterhin durch jackalianische Städte, aber die Mode machte einen leicht anderen Eindruck. Die Frauen trugen Hütchen nach Shifter-Mode, und die Soldaten auf Heimaturlaub stolzierten in Brigadeblau und nicht in den weinroten Uniformen der Armee neuen Zuschnitts herum. Noch etwas weiter waren die Kleider in strengem parlamentarischen Schnitt gehalten, so wie man sie vor hundert Jahren getragen hatte, aber mit einer finsteren, militärischen Note versehen, die ihnen gleichzeitig etwas
Modernes gab. Die Straßen von Middlesteel wurden dunkler, weniger bunt. Zwar erschienen die Gebäude nun höher und beeindruckender, aber die Bürger trugen keinerlei individuelle Kleidung mehr – ein Meer aus Grau und Schwarz schob sich dahin, als ob jeder in Middlesteel der Armee

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