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Das Koenigreich jenseits der Wellen - Roman

Das Koenigreich jenseits der Wellen - Roman

Titel: Das Koenigreich jenseits der Wellen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Hunt
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nur mit dem Lendenschurz der Sklaven bekleidet und voller Angst vor der Peitsche des Aufsehers. Ein Middlesteel, das einsam und verlassen dalag, die Straßen der Hauptstadt unter Schnee und Eis begraben  – hier war die Kaltzeit früh wieder zurückgekehrt, um eine Welt gefrorener Leere zu schaffen. Dann eine Sandwüste unter einer brennend heißen Sonne, aus der nur noch der einsame Glockenturm Harter Julius herausschaute, als einziges Zeichen dafür, dass diese Welt überhaupt einmal bewohnt gewesen war – eine einsame Gestalt in der Kleidung eines Sandreiters lag vor dem verlorenen Turm auf den Knien und betete zu den hundert Aspekten des großen Heiligen. Hier war Jackals kein grünes, reiches Land, nur ein Meer endloser Dünen.
    Dann endlich war der Korridor der grausamen Möglichkeiten zu Ende und führte sie in eine riesenhafte Halle. Der Anblick erinnerte Amelia in seiner Größe an die chimecanische Unterstadt unter Middlesteel, aber die Statuen, die in die Wände rund um den Eingang
hinter ihnen gehauen worden waren, erschienen viel älter, und das Tal vor ihnen war nicht mit den ausufernden Pilzwäldern des unteren Middlesteels bedeckt, sondern mit einer ganz anderen Art von Bewuchs. Es waren Hügel aus lebenden Maschinen! Manche glichen Bambusfeldern von Tentakeln und pulsierenden Ameisenhügeln, andere breiteten eichenartige Kronen aus, um ein wellenförmiges Blätterdach zu bilden.
    Bulls Arm hob sich unwillkürlich, und er merkte, dass sich die Metallstange, die er von der Tauchkugel mitgenommen hatte, in Richtung einer kleinen orangefarbenen Sonne bewegte, die über ihnen am Himmel schien.
    »Die Sonne versucht, meine Keule zu stehlen!«
    Amelia schüttelte den Kopf. »Es ist keine echte Sonne. Es ist eine Kraftquelle, ähnlich wie eine Dampfmaschine oder ein Dampfkessel. Sie ist von einem Magnetfeld umgeben. Lassen Sie Ihre Keule los.«
    Bull öffnete die Finger, und die Stange flog aus seiner Hand mit mehreren Drehungen der Sonne entgegen; eine Minute später gab es einen kleinen Lichtblitz, als sie die Oberfläche der Kugel erreichte und verglühte.
    »Sind Sie wieder besessen, Hütertochter?«
    »Nein«, sagte Amelia. »Es ist, als ob ich all das hier schon kenne. Als ob das alles nur eine Erinnerung ist.«
    Sie wandte sich um und sah die beiden Statuen an, die den Eingang zum Korridor der Visionen schützten. Sie waren aus weißem Stein gehauen und stark stilisiert, kubistische Arme vereinten sich, um ein Stück Pergament über der Tür zu halten.

    »Die Zwillinge. Wissen steht auf der linken Seite, und Weisheit, das Wissen vernünftig anzuwenden, auf der rechten.«
    »Wenn Sie sich an einen Weg ›erinnern‹ können, der uns hier rausführt, ohne dass wir vom halben Grünnetz gejagt werden, dann würde ich das als ziemlich sinnvoll betrachten«, sagte Bull.
    Amelias Kopf füllte sich mit Informationen. Als ob die Tatsache, dass sie nun hier war, lange schlafende Erinnerungen an ein Haus weckte, in dem sie einst gelebt hatte. Aber das hier war ein uralter Ort. Sie hatte noch nie etwas Vergleichbares gesehen – nicht in den Archiven der Universität, nicht in den Kristallbüchern, die ihr Vater vor dem Zugriff der Gerichtsvollzieher bewahrt und ihr hinterlassen hatte. Wie konnte all das so vertraut sein?
    »Wir müssen durch diesen Wald von Maschinen«, sagte Amelia. »Unser Weg führt mitten hindurch.«
    »Gibt es keinen anderen Weg?«, fragte Bull. »Und wenn es wieder so ein Korridor wäre, der noch mehr Schrecken des Was-hätte-sein-können bereithielte?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Das hier sieht haargenauso aus wie der Thronsaal vom alten Baumkopf …«
    War das der Grund, weshalb sie diesen Raum schon kannte? Nein. Ihre Erinnerung stammte nicht von den Kammern des Daggischtenschwarms. Sie stammte aus einer viel tieferen Quelle.
    »Das hat seinen Grund. Ich glaube, die Daggischten
sind die verwilderten Nachfahren der lebenden Maschinen der Camlantiker. Sie sind nicht gerade ein besonders überragendes Vermächtnis, oder? Das hier ist der Weg. Folgen wir meinem Instinkt«, sagte Amelia und ging den Abhang zu dem Maschinenwald hinunter.
    Bull seufzte. »So, wie es aussieht, folge ich Ihnen immer noch.«
    Er sah sich nervös um, als die beiden den Wald betraten. Während der Aufbau der Daggischten knochenartig und panzerhart gewirkt hatte, war der Maschinenwald weich und organisch, Tentakel ringelten sich von Baumstümpfen, um andere Maschinen zu streicheln – sie tauschten

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