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Das Koenigreich jenseits der Wellen - Roman

Das Koenigreich jenseits der Wellen - Roman

Titel: Das Koenigreich jenseits der Wellen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Hunt
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nach dem Sieg der Schwarzöl-Horde im Osten so weit nach Westen, wie es möglich war, und ließen sich auf einer Insel nieder.«
    »Auf der Isla Verde?«, fragte Amelia. »Oder meinen Sie Concorzia? Auf der anderen Seite des Meeres haben wir bisher nichts gefunden, aus dem man hätte schließen können –«
    »Jackals war einmal eine Insel«, sagte Quest, »die irgendwann wieder an die Landmasse des Kontinents herandriftete und sich damit verband. Jedenfalls behaupten das einige in Verruf geratene Geologen, für deren Theorien Ihre Kollegen in den Colleges auch nie besonders viel übrighatten. Wenn sie den Zeitpunkt richtig berechneten, dann geschah das ungefähr zu jener Zeit, als die Maitraya erschienen und die Stämme der Insel dazu brachten, sich von den Lehren der Druiden abzuwenden.«
    Amelia sah durch die gebogene Glasscheibe, wie der zentrale Turm von Camlantis ihnen entgegenschwebte. Der freie Ausblick von der Brücke wurde nur durch die beiden Steuerräder des Luftschiffs unterbrochen, die von jeweils einem Rudergänger bedient wurden. Quest hatte es wieder geschafft. Erneut hatte er ihre Weltsicht völlig auf den Kopf gestellt und durchgeschüttelt, bis nichts von den alten Ansichten mehr übrig war.
    »Ein wenig von den Camlantikern steckt heute in uns
allen«, sagte Quest. »In den Jahrhunderten, die auf die Maitraya und die jackalianischen Stämme folgten, muss es zu Mischehen gekommen sein. Aber in einigen Familien hat sich das alte Erbe reiner erhalten als in anderen, und der Ruf des alten Lebens liegt ihnen sozusagen im Blut …«
    Amelia lehnte sich gegen ein Schaltbrett mit Navigationsinstrumenten. Das Blut, das ihr als Passierschein in die seltsame Welt unter dem Ataa-Naa-Nyongmo gedient hatte, das Blut, das dafür gesorgt hatte, dass sie die Krone von Camlantis mit seinem bis zum Bersten gefüllten Informationsjuwel hatte nehmen können. Das Blut, das für eine Hexe in der cassarabischen Wüste und für einen Medizinmann in einem Handelsaußenposten Liongelis das Lied einer Prophezeiung gesungen hatte. Ihr Blut.
    »Wir kommen nach Hause«, flüsterte Amelia, während die Stadt unter ihren Füßen vorüberglitt.
     
    Die ersten Kundschafter aus den ausgesetzten Gleiterkapseln fanden sich bereits am Fuße des schlanken Turms im Zentrum von Camlantis ein, als die Leviathan unterhalb der rotierenden Blütenblätter andockte. Daraufhin kamen verschiedenste Ingenieurskünste zu ihrem gefährlichen Einsatz – gefährlich zumindest für die Wolkenmaate, die sich an Seilen hinabließen, einen Andockring anschweißten und dabei mit dem Ausstoß ihrer Atemmasken Nebelbögen in die Luft schrieben, während sie viele Tausend Fuß über der verlassenen
Stadt hin und her schwangen. Schließlich wurde ein Tunnel aus kurzen Metallröhren mit Trägern verstärkt und zusammengenietet, um den Turm und das Luftschiff miteinander zu verbinden und eine notdürftige Brücke zwischen Jackals und dem uralten Herrschaftsbereich von Camlantis zu schaffen.
    Als Amelia über diese Brücke schritt, einen Rucksack voller hastig gezeichneter, auf Vermutungen basierender Karten von Camlantis über der Schulter, war ihr der Weg bereits grob mit roter Farbe vorgezeichnet. Auf die sauberen weißen Böden und Wände, die den Korridoren unter dem Ataa-Naa-Nyongmo glichen, waren Pfeile gemalt worden, um den Weg durch das Labyrinth zu weisen. In dieser Stadt schienen jedoch alle, nicht nur sie, die Türen und Aufzüge des schlanken Turms benutzen zu können. Gehörte das Fehlen dieser Sicherheitsvorrichtungen zur vertrauensseligen Natur der Camlantiker, oder lag der Grund vielmehr darin, dass eine so große Metropole anders nicht hätte funktionieren können? Es gab keine sichtbaren Anzeichen für den Bürgerkrieg zwischen den beiden Fraktionen der camlantischen Gesellschaft. Keine Rauchfahnen oder Schäden  – überhaupt keine Spuren eines Konflikts, abgesehen von der Existenz der toten Stadt an sich, die sich völlig intakt von ihrer Verankerung auf der Erde gelöst zu haben schien. Amelia fragte sich, wie Pazifisten denn wohl eigentlich kämpften, und gab sich selbst die Antwort  – vermutlich schlecht. Ganz und gar, flüsterte ihr etwas aus ihrem Inneren zu. Camlantis selbst war der
Beweis dafür, wie Pazifisten kämpften. Ein kaltes, berechnetes, sorgfältig herbeigeführtes Schwebbeben. Einige Millionen Tote innerhalb von Minuten, die nach Luft schnappten, als das Land, das ihnen eine Heimat gewesen war, außer Reichweite

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