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Das Königshaus der Monster

Titel: Das Königshaus der Monster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Barnes
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Zurückhaltenden ihre letzten Hemmungen loswerden konnten. Das Lokal gehörte zu jener Art von Kaschemme, wo man Bacardi Breezer im Halbliterglas serviert, und ich fand es schon auf den allerersten Blick ganz grauenhaft.
    Sämtliche Gäste waren gleich gekleidet. Sie waren buchstäblich uniformiert. Kurze Röckchen, Krawatten, die vielsagend um nackte Hälser geschlungen oder als Haarbänder um den Kopf geknotet waren. Der Klub schrieb seinen Gästen ein Mindestalter von achtzehn Jahren vor, und ich darf bezeugen, dass alle Anwesenden die Altersgrenze reichlichst überschritten hatten. Ja, es gab sogar ziemlich viele darunter, die aussahen, als hätten sie ihren achtzehnten Geburtstag schon vor etlichen Jahrzehnten gefeiert – eine Tatsache, die in regelmäßigen Abständen ans harte Stroboskoplicht kam, wenn die Strahlen ihre Gesichter erfassten und jede Falte, jedes Fältchen, jede Warze und jede alte Aknenarbe unbarmherzig ausleuchteten.
    Meine Füße hingegen saugten sich am Boden fest, und zum ersten Mal seit Jahren verspürte ich wieder die ärgerliche Furcht meiner frühen Jugendjahre: die entsetzliche Angst, tanzen zu müssen.
    Als »Earth, Wind and Fire« in Europop überging, nahm mich Barbara an der Hand und zerrte mich durchs Gewühl zur Bar, wo sie mir zu einem Drink im Plastikbecher verhalf. Als wir sprachen, mussten wir schreien, um uns verständigen zu können.
    »Iii otu strenn!«
    »Wie?«, brüllte ich.
    Sie beugte sich dicht an mein linkes Ohr und schrie: »Wir sollten uns trennen!«
    Ich nickte, griff nach meinem Plastikglas und suchte mir einen Weg zwischen den paarweisen Verrenkungen auf der Tanzfläche hindurch.
    Es sollte noch einfacher sein als erhofft. Ein paar Minuten später erblickte ich die beiden; ich erkannte sie sofort an ihren Hinterköpfen – zwei Männer, die an der Bar saßen und Cocktails schlürften, einer stämmig und mit rötlichem Haar, der andere schlank und dunkelhaarig. Ich hielt Ausschau nach Barbara, aber sie war in der Menschenmenge untergetaucht, und ich wusste, wenn ich mich jetzt auf die Suche nach Unterstützung machte, könnten wir die Dominomänner erneut verlieren und müssten von vorn anfangen. Also tat ich (nicht unheldenhaft, wie mir scheint) das Einzige, was zu tun mir übrig blieb: Ich ging hinüber und trat hinter Boon mit der Absicht, ihm einen kleinen Schlag auf die Schulter zu geben, doch gerade als ich die Hand ausstreckte, taumelte ein rothaariges, fürs Hockeytraining gekleidetes Dickerchen auf mich zu, und ich stolperte und erwischte den Präfekten voll am Ohr.
    Als der kleine Mann sich umdrehte, sah ich sofort, dass es nicht Boon war. Und sein Nachbar – ein großer Mann mit einer interessanten Narbe auf der Wange und dem Flair eines Berufsboxers – war auch nicht Hawker. Doch beide wirkten äußerst erbost.
    Ich bemühte mich um ein schwaches Lächeln und formte ein »Verzeihung!« mit den Lippen, doch keinen dieser beiden nicht wirklich hierher passenden Klubgäste schien meine Zerknirschung zu beeindrucken.
    Der Kleinere der beiden packte mich am Hemd und riss mich so eng an sich heran, dass ich das Stella Artois in seinem Atem riechen konnte.
    »Tut mir leid!«, brüllte ich. »Ich habe Sie mit jemandem verwechselt!«
    Der Mann mit dem rötlichen Haar packte meine Nase zwischen Zeigefinger und Daumen und zwang mich auf die Zehenspitzen. In Erwartung der unausbleiblichen Prügel, die ich beziehen würde, kniff ich die Augen ganz fest zusammen. Doch plötzlich wurde meine Nase losgelassen, und ich konnte meine Füße wieder flach auf den Boden stellen. Die beiden Männer zeigten auf mich und lachten aus vollem Halse. Ich konnte nicht hören, was sie sagten, aber ich hatte eine Vermutung.
    Ich war’s nicht! Großvater war’s!
    Und nicht zum ersten Mal in meinem Leben verspürte ich eine warme Welle der Dankbarkeit für Worse Things Happen at Sea.
    Jemand ergriff meine Hand, und ich wurde von meinen Bewunderern weggezogen. Barbaras Gesicht war dicht vor meinem, und sie schrie: »Henry! Schluss mit den Possen!«
    Sie sah mich mit einem Blick an, der, wenn er schon nicht verächtlich genannt werden konnte, doch irgendwo in den unteren Regionen spöttischer Geringschätzung angesiedelt war. Sie schritt zurück ins Gewühl, und ich schickte mich an, es ihr gleichzutun, als ich ein wütendes Summen in meiner Hosentasche spürte. Ich zog mein Handy heraus und versuchte zu antworten, aber jedes Gespräch war unmöglich, und so war ich schließlich

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