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Das Königshaus der Monster

Titel: Das Königshaus der Monster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Barnes
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Nasenspitze, rutschte auf seinem Sitz herum, räusperte sich andauernd, und dann, als ihm das alles langweilig wurde, stieß er mich in die Rippen.
    »Ist sie nicht wunderbar?« Er deutete mit dem Kinn nach vorn, wo Barbara im leidenschaftslosen Tonfall eines Navigationssystems unserem Fahrer Anweisungen gab.
    »Warum musste es gerade sie sein?«, zischte ich. »Warum mussten Sie sich ausgerechnet Barbara aussuchen?«
    »Sie war einfach perfekt, Mister Lamb. Einfach perfekt.«
    Ich schluckte meinen Abscheu hinunter, holte das Handy hervor und tippte Abbeys Nummer ein.
    Von plötzlichem Misstrauen erfasst, fuhr Barbara herum. »Wen rufen Sie an?«
    »Meine Zimmerwirtin.«
    »Aber halten Sie sich kurz.«
    Doch es ergab sich, dass ich sie ohnehin nicht erreichte und ihr eine aufs Handy gesprochene Nachricht hinterlassen musste. »Hallo, Abbey«, sagte ich halblaut flüsternd, denn mir war unangenehm, dass die anderen zuhörten. »Hör mal, ich weiß, das klingt vielleicht ein bisschen sonderbar, aber eine alte Freundin von mir kommt gleich zur Wohnung. Könntest du es einrichten, dort zu sein? Um ihr zur Hand zu gehen, falls sie etwas braucht. Ich kann es dir nicht näher erklären, aber es ist wirklich wichtig. Also, ich rufe dich später noch mal an. Und …« – ich konnte nicht einmal ansatzweise das sagen, was ich sagen wollte –, »ich denke viel an dich.« Dann unterbrach ich die Verbindung.
    Jasper, der sich nach seinem Triumph immer noch im Höhenflug befand, grinste mir wissend zu, aber ich ignorierte ihn und starrte schlecht gelaunt zum Fenster hinaus.
    Wir kamen ins Zentrum und fuhren gerade an einem Kaufhaus vorbei, das in der Weihnachtszeit für späte Kunden lange geöffnet hatte; es war mit leuchtenden Weihnachtsmännern, blinkenden Spielsachen und glitzernden Schneemännern geschmückt.
    Barbara sagte: »Halten Sie an.«
    »Warum?«, fragte Barnaby.
    Der Anflug eines Lächelns. Oder vielleicht nur eine Illusion, verursacht vom Schein der bunten Lampen. »Wir werden wohl Kostüme brauchen.«
     
    Am äußersten Ende der Upper Street, zwischen einem Zeitungskiosk von der Sorte, die ihr Hauptgeschäft mit jenen Magazinen machen, die sie unter dem Tisch an den Mann bringen, und einem Stand, der auch um vier Uhr morgens noch Brathähnchen verkauft, befand sich ein Nachtklub namens Diabolism.
    Dieser Name war der kümmerliche Rest der Ambitionen eines Vorbesitzers, der vorgehabt hatte, eine »bessere« Klientel anzusprechen. Im Unterschied zu ihm hielten sich seine Nachfolger an das vorhandene Publikum. Und so fand einmal pro Woche ein Programmabend statt, der unter der Bezeichnung Schräge Schule lief. Mit seiner Mischung aus billigem Alkohol, chemisch hervorgerufener guter Laune und der Hoffnung auf schnellen Sex glich er mehr oder weniger jedem beliebigen Abend im Diabolism – mit einer Ausnahme: In dem Bestreben, die verschwenderische, sorglose Leichtlebigkeit der Jugendjahre Wiederaufleben zu lassen, musste jeder Gast, der zur Tür hereinwollte, in eine annähernd als solche erkennbare Schuluniform gekleidet sein.
    Jetzt wird Ihnen klar sein, weshalb Barbara anhalten ließ, um Kostüme zu besorgen.
    Selbstredend sah sie darin blendend aus. Sie hatte für sich einen Rock gewählt, der eine eindrucksvolle Länge von Bein sehen ließ, und eine Bluse, die – großzügig aufgeknöpft – den aerodynamischen Zuschnitt ihrer Oberweite demonstrierte. Sie war hinreißend – geradezu grandios umwerfend –, und dennoch verspürte ich nicht den winzigsten Funken von Begehrlichkeit. Je mehr Zeit ich in ihrer Gegenwart verbrachte, desto irrealer kam sie mir vor: so als wäre sie nicht wirklich vorhanden – als wäre sie keine echte Frau, sondern eine zu einem seltsamen Halbleben erweckte Phantasiegestalt. Und nur dann, wenn für gelegentliche kurze Momente die Barbara sichtbar wurde, die ich kannte – in der Art einer Bewegung oder eines plötzlichen Grübchens, das auf ihrer Wange erschien –, wurde mir die eigentliche Tragödie dieser jungen Frau jäh bewusst.
    Ich schweife natürlich ab, tue mein Bestes, mich vor der Beschreibung zu drücken, wie Jasper und ich uns widerstrebend in diese lächerlichen Kostüme zwängten, die Hemden und die gestreiften Schlipse. Ich hatte keine Shorts gefunden, die mir passten, also musste ich mich damit zufriedengeben, mir die eigenen Hosenbeine bis über die Knie hochzurollen. Bei dieser Adjustierung trug Jasper zweifellos den Sieg davon, auch wenn man bei seinem Anblick

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