Das Königshaus der Monster
Männer.«
»Irgendwo in Islington«, murmelte Dedlock. »Ich sehe zu, dass ich eine exakte Planquadratangabe bekomme.«
Barbara wandte sich von ihm ab und fing mit der Befehlsausgabe an. »Jasper, Barnaby soll uns abholen und hinfahren. Henry und ich werden gemeinsam vor Ort sein.«
»Ich muss mit?« Bei der Aussicht auf ein weiteres Zusammentreffen mit den Dominomännern krampfte sich mein Magen zusammen wie eine Faust. »Wozu, um alles in der Welt, brauchen Sie mich? Sie sehen eigentlich selbst recht fähig aus.«
»Oh, ich bin enorm fähig, Mister Lamb, aber aus irgendeinem Grund haben diese Kreaturen Gefallen an Ihnen gefunden.«
Einen Moment lang betrachtete Jasper seine Schöpfung so, als hege er plötzlich Zweifel. Dann fing er sich wieder. »Ich organisiere meine Männer. Sie sollen den Ort umstellen. Ohne Gewaltanwendung wird die Ergreifung nicht funktionieren.«
»Hawker und Boon kann man mit konventionellen Waffen nicht aufhalten«, sagte Barbara. »Wie viel Blut wollen Sie noch an den Händen haben, bevor Sie diese einfache Lektion lernen?«
»Was kann sie denn aufhalten?«
Der Schatten eines Lächelns legte sich auf Barbaras unvorstellbar perfekte Lippen. »Miss Morning! Wie schön, wieder an Ihrer Seite zu arbeiten.«
Die alte Dame kniff die Augen zusammen und sah Barbara an. »Mir ist nicht ganz klar, wer oder was Sie sind junge Dame, aber Estella sind Sie jedenfalls nicht. Sie sind etwas ganz Neues.«
»Sie wissen, was ich brauche. Beschaffen Sie mir die Waffe.«
»Ich dachte, sie wäre verloren gegangen.«
»Dann waren Sie falsch unterrichtet. Der alte Mann hat sie im sicheren Haus versteckt.«
Miss Morning lächelte leicht. »Ein kluger Kopf, auf seine Weise.«
»Suchen Sie danach und bringen Sie sie mir.«
Miss Morning nickte.
Der Mann im Tank winkte Barbara zu sich; zu lange schon war er nicht im Mittelpunkt gewesen. »Ich habe die Adresse«, sagte er. »Es ist irgendwo auf der Upper Street. Aber wie, um Himmels willen, sollen sich zwei erwachsene, wie Schuljungen gekleidete Männer in Islington versteckt halten können?«
»Es gibt dort ein Plätzchen, das ich kenne.«
»Tatsächlich?«
»Jawohl, Sir.«
»Es ist schön, Sie wieder bei uns zu haben, Estella.«
»Es ist schön, wieder hier zu sein, Sir.«
»Und ein herrliches Gefühl zu sehen, dass alles vergeben und vergessen ist.«
Barbara starrte in den Tank, und der Leiter des Direktoriums zuckte unter ihrem Blick zusammen.
»Das ist alles Vergangenheit, Sir.« Sie entblößte zwei unnatürlich weiße Reihen von Zähnen. »Schnee von gestern.«
Ein wahrer Segen, dass in diesem Augenblick das Rad seine Umdrehung vollendet hatte, die Gondel zum Stillstand kam und wir hinausgetrieben wurden in die kalte Nacht.
Barnaby wartete schon. Barbara hatte auf dem Beifahrersitz Platz genommen, und Jasper kletterte gerade auf die Rückbank, als Miss Morning mir leicht auf die Schulter tippte. »Sie müssen zu Hause anrufen und Abbey sagen, dass ich vorbeikomme.«
Arg mitgenommen und ausgelaugt von den letzten Tagen, konnte mein Hirn diese Information nicht auf Anhieb verarbeiten. »Wie bitte?«
»Sagen Sie ihr einfach, dass ich unterwegs zu ihr bin.«
»Was wollen Sie in unserer Wohnung?«
»Diese Wohnung ist nicht Ihre Wohnung. Sie ist ein sicheres Haus des Direktoriums.«
»Was?«
»Henry, dort wurde die Prozedur durchgeführt. Dort haben wir die arme Estella zerteilt. Tun Sie nicht so überrascht! Warum sonst sollte wohl Ihr Großvater so erpicht darauf gewesen sein, dass Sie dort wohnen?«
Das Fenster neben dem Beifahrersitz glitt auf. »Henry«, sagte Barbara leise – und dieser ungewohnt ruhige Tonfall machte mir mehr Angst, als jedes Gebrüll es vermocht hätte. »Steigen Sie ein.«
»Sie müssen los«, sagte Miss Morning. »Ich erkläre Ihnen später alles.«
Ich zögerte noch, doch dann vernahm ich Barbaras kühle, klare Stimme – »Die Zeit ist von entscheidender Bedeutung, Henry« –, und ich setzte mich zu Jasper auf die Rückbank. Miss Morning schlug die Tür zu, und als sich der Wagen in Bewegung setzte, formte sie mit den Lippen ein Wort in meine Richtung. Ein einzelnes Wort. Ich konnte es nicht recht sehen, aber jetzt, im Rückblick, und da sich die Zahl meiner verbleibenden Lebenstage bestimmt schon im einstelligen Bereich bewegt, bin ich fast sicher, dass ich weiß, was sie sagte.
»Schade.«
Jasper war kribbelig; er verschränkte die Finger, streckte sie wieder, kratzte sich an der
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