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Das Königshaus der Monster

Titel: Das Königshaus der Monster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Barnes
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gezwungen, mich in eine Kabine auf dem Herrenklo zurückzuziehen, wo sich die Musik zumindest auf ein tektonisches Rumpeln reduzierte.
    »Hallo?«, sagte ich zum etwa siebten Mal hintereinander.
    »Abbey hier.« Sie klang wütend.
    »Tut mir leid. Konnte dich da draußen nicht verstehen.«
    »Henry, deine Freundin stellt hier alles auf den Kopf! Sie war in unseren Schlafzimmern. Sie hat den halben Inhalt des Kühlschranks auf den Boden geschmissen! Jetzt ist sie gerade auf dem Flur und klopft die Wände ab, um zu sehen, ob sie hohl sind! Was, zum Teufel, soll das werden?«
    Ich schluckte. »Ich weiß, das alles muss dir seltsam vorkommen. Aber bitte lass Miss Morning in allem freie Hand. Ich werde es wiedergutmachen, das verspreche ich dir!«
    Abbey klang immer noch äußerst gereizt, doch ich meinte bereits das Einsetzen von Tauwetter zu verspüren, als sie das Wort ergriff: »Hör mal, unsere Unterhaltung von vorher. Über Joe. Ich will dir nur sagen, dass ich keinerlei Gefühle mehr für ihn habe.« Es lag auf der Hand, dass es ihr nicht leichtfiel, das auszusprechen. »Ich sehne mich nicht heimlich nach der Vergangenheit zurück.«
    »Danke«, flüsterte ich. »Danke, dass du mir das gesagt hast.« Jemand riss draußen die Tür der Herrentoilette auf und brachte einen Schwall dröhnender Musik mit in den Raum.
    »Wo bist du da eigentlich? Ich dachte, du würdest Überstunden machen!«
    »Ich bin in einem Klub.«
    »Du bist wo ?« Das Tauwetter zog sich wieder zurück, und eine neue Eiszeit hatte begonnen.
    »In einem Klub«, wiederholte ich. »Diabolism heißt er.« Und dann fügte ich rasch hinzu: »Es hängt mit dem Job zusammen.«
    »Na gut. Und mit wem bist du dort?«
    »Nur mit einem Kollegen.« Ich gab mir Mühe, sanft und unschuldig zu klingen.
    »Und wie heißt sie?« Abbeys Stimme bebte vor unterdrücktem Zorn.
    »Das ist kompliziert … Aber ich denke, man könnte sie Barbara nennen.«
    »Unglaublich! Wir haben eine winzig kleine Auseinandersetzung, und du gehst mit einer anderen Frau aus!«
    »Abbey, bitte! Die Sache liegt völlig anders!«
    »Ich hoffe für dich, dass du eine wirklich, wirklich gute Erklärung dafür hast.« Aus dem Handylautsprecher kam ein gewaltiges Krachen. »O Gott!«
    »Was war das? Was ist passiert?«
    »Deine Freundin. Sie ist gerade mit dem Fuß in unseren Fernseher gestiegen.«
    »Was?«
    »Tschüs, Henry.«
    Da hatte sie wohl die Verbindung unterbrochen.
    Ich verließ die Kabine und ging hinüber zu den Waschplätzen. Dort stand ein Mann, ein Angestellter des Klubs, der mir eilig Flüssigseife auf die Hände spritzte und mich auf diese Weise dem moralischen Zwang aussetzte, ihm für diesen Liebesdienst ein Pfund auszuhändigen.
    »Kleine Unterhaltung mit der Braut?«, fragte er, und mir wurde klar, dass er das ganze Gespräch mitgehört hatte. »Mit der Liebsten geplaudert?«
    »Ja«, antwortete ich steif. »Allerdings.«
    »Dicke Luft, wie?«
    »In gewisser Weise.«
    »Wollen Sie einen guten Rat?«
    »Eigentlich nicht«, sagte ich, aber der Mann überhörte es.
    »Denken Sie nicht an sie. Machen Sie einen drauf. Was die Braut nicht weiß, macht sie nicht heiß. Und was im Diabolism abgeht, bleibt auch im Diabolism.«
    »Vielen Dank auch«, sagte ich, widerstand mit Mühe dem Drang, ihm mein Pfund wieder aus der Hand zu reißen, und stürzte mich erneut ins Gewühl.
     
    Die Stunden, die folgten, waren die längsten meines Lebens. Ich durchstreifte jeden Winkel der Tanzfläche; ich betrachtete eingehend die Gesichter jedes einzelnen Paares, auch wenn die Münder noch so sehr miteinander verschmolzen schienen; ich stieg über eine Pfütze von Erbrochenem hinweg, trank drei Cocktails, zwei Flaschen Bier und einen halben Liter Leitungswasser, in das – da bin ich ganz sicher – der Barmann zuvor reingespuckt hatte. Ich versuchte sogar, mich unauffällig mit der Meute zu vermischen, indem ich tanzte.
    Es war spät, schon in den frühen Morgenstunden, als ich sie entdeckte. Nachdem die ersten Akkorde von Alice Coopers School’s Out von den Stammgästen mit begeistertem Gebrüll aufgenommen worden waren, zog ich mich an die Bar zurück, wo ich meinen müden Blick auf zwei übermütigen jungen Männern ruhen ließ, die voll Enthusiasmus im Ringelreigen um eine der Säulen wirbelten. Dann traf der kreisende Strahl des Stroboskoplichts auf die beiden, ich sah ihre Gesichter, und mein Inneres wurde zu Wasser. Auf der sofortigen fieberhaften Suche nach Barbara kämpfte ich mich

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