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Das Königshaus der Monster

Titel: Das Königshaus der Monster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Barnes
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an die Sorte Musterschüler dachte, die beim Kopfrechnen immerzu als Klassenbeste abschnitten. Ich hingegen sah bloß albern aus.
    Wir ließen Barnaby vertieft in Bedrohungsszenarien und die Gelbe Mafia im Roman: Der fehlbare Erzähler in den Lebensabschnitten des Sexton Blake im Wagen zurück. Das Foto hinten auf dem Umschlag ähnelte einer jüngeren Ausgabe unseres Fahrers – ungewohnt glatt rasiert, zufrieden mit sich selbst, voller Erwartungen in die Zukunft.
    »Vielleicht mache ich gleich einen Rundgang«, erklärte er und hob kurz den Blick vom Buch. »Mal sehen, ob ich auf eine Spur des Feindes stoße.«
    Jetzt wünsche ich mir, ich hätte irgendetwas zu ihm gesagt, ihm vielleicht gedankt für seine Chauffeurdienste oder so. Seine Hand geschüttelt. Ihm geraten, seine Bitterkeit abzulegen und zu genießen, was von seinem Leben noch übrig war. Aber wie sollte ich das ahnen? Wie hätte ich wissen können, dass ich ihn nicht wiedersehen würde?
     
    Wir schlenderten hinüber zum Klub. An der Tür stand ein lächerlich schmächtiger Rausschmeißer mit einem schmalen, dunklen Schieberbärtchen auf der Oberlippe; offenbar hatte ihm niemand gesagt, dass das Tausendjährige Reich vorbei war und auch die Lebensmittelrationierung der Vergangenheit angehörte. Er feixte, als Barbara an ihm vorbeischritt, und nickte mir kurz zu, aber gerade als Jasper uns folgen wollte, streckte er den Arm aus und hielt ihn auf.
    »Tut mir leid, Sir. Nur für Paare.«
    Jasper sah ihn verblüfft an. »Was haben Sie gesagt?«
    »Einlass nur für Paare. So ist die Vorschrift. So wird das Getümmel auf dem Spielplatz ausgeglichener, verstehen Sie?«
    »Also lassen Sie mich schon durch!«, rief Jasper und versuchte, ihn zur Seite zu stoßen. Alles, was ich zu der darauf folgenden Rangelei sagen kann, ist, dass der Türsteher weitaus kräftiger gewesen sein muss, als es den Anschein hatte.
    »Okay.« Jasper trat zurück, griff in seine Jackentasche und zog eine Zwanzigpfundnote hervor. »Würde das reichen für eine Sinnesänderung?«
    »Vorschriften sind Vorschriften«, sagte der Türsteher in belehrendem Ton.
    »Na gut.« Jasper brachte eine weitere Zwanzigpfundnote zum Vorschein. »Und wie steht es jetzt?«
    Der Mann mit dem Bärtchen schüttelte nur den Kopf.
    »Na wunderbar!«, keifte Jasper. »Der einzige ehrliche Rausschmeißer von ganz London! Hören Sie mal«, sagte er, und ich merkte, dass er nahe dran war, die Geduld zu verlieren, »in dieser Minute befinden sich zwei Bestien in Ihrem Klub, die, ohne mit der Wimper zu zucken, jede Frau in dieser Stadt zur Witwe machen würden, bloß weil ihnen langweilig ist! Und nun lassen Sie mich rein, zum Henker!«
    »Nichts für ungut, Sir. Und ich möchte nicht unhöflich erscheinen. Aber würde es Ihnen was ausmachen, jetzt Leine zu ziehen?«
    Ich war dieser Darbietung mit einigem Amüsement gefolgt, doch als ich mich nach Barbara umdrehte, sah ich nichts als eiserne Professionalität in ihrer Miene.
    »Mister Jasper«, sagte sie, »wir können es uns nicht leisten, hier draußen Zeit zu verlieren. Sehen Sie zu, dass Sie sich mit einer anderen Gruppe Einlass verschaffen. Henry und ich müssen jetzt hinein.«
    »Aber Sie können diesen Kerl mit der linken Hand aus dem Verkehr ziehen!«, bettelte Jasper.
    »Ich will keine unnötige Aufmerksamkeit auf uns lenken«, entgegnete sie.
    »Sie können mich doch nicht einfach hier draußen zurücklassen!« Er betrachtete seine bleichen, fast haarlosen Beine und erschauerte. »Nicht in diesem Aufzug!«
    Barbara bedachte ihn mit einem spöttisch-herablassenden Blick, drehte sich um und verschwand in der Tür. Während ich ihr folgte, sprach sie halblaut mit Dedlock. »Wir sind im Klub, Sir. In der Nähe der Zielpersonen. Sendepause, Sir.«
    Dedlocks Stimme in unseren Ohren: »Verstanden. Hals- und Beinbruch.«
    Drinnen am Eingang zahlten wir jeder zehn Pfund an ein Kaugummi kauendes weibliches Wesen, das uns daraufhin widerwillig Einlass gewährte.
    Diabolism erwies sich als riesige Betonfläche, auf der etliche Hundert Menschen wie ein aufgewühltes Meer aus schweißnasser Fiebrigkeit wogten. Die Bewegungen sahen nach einer eher heiteren Stimmung aus, und dann erkannte ich den Song, der die Tanzfläche zum Beben brachte, als eine abgewandelte Version von Boogie Wonderland der Gruppe »Earth, Wind and Fire« – in diesem Jahr in gefährliche Nähe der Spitzen-Charts geklettert. Rund um die Tanzfläche standen hohe, dünne Säulen, an denen die weniger

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