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Das Königshaus der Monster

Titel: Das Königshaus der Monster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Barnes
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Barbara leichthin; sie klang immer noch so, als mache sie mit flüchtigen Bekannten höfliche Konversation. »Ich fand immer, dass diese Codenamen furchtbar albern wirken.«
    »Ach ja, das fanden Sie? Nun, falls jemand von uns den heutigen Tag überlebt, werde ich diese Frage eingehend prüfen.«
    Barbara lächelte – etwas ausdruckslos, so als reiche sie Kanapees.
    Der alte Bock im Tank, diese leibhaftige Unmöglichkeit, diese lebende Verhöhnung aller Gesetze der Wissenschaft, spielte auf Zeit. Selbst während er sprach, überlegte er, ob er nicht in der Lage wäre, irgendjemand draußen zu kontaktieren oder den Alarm auszulösen, ehe es zu spät dafür war. Mit allen Mitteln nach etwas suchend, das Barbara von ihrem Vorhaben abbringen könnte, ballte er eine Hand zur Faust; hinter ihm zeichnete sich ein Schimmern ab und wurde zu einem Stadtplan von London, auf dem Straße für Straße schwarz verfärbt war – bespritzt mit dem Gift Leviathans. »Was tun Sie überhaupt hier?«, fragte Dedlock. »Wo sind die Präfekten? Wo ist Henry Lamb?«
    Als sie wieder sprach, klang Barbaras Stimme völlig emotionslos. »Sie wissen genau, was im Gange ist. Leviathan ist in Freiheit. Wir haben die ganze Zeit über nicht mehr erreicht, als das Unvermeidliche um ein paar Jahre hinauszuschieben. Ein Wimpernschlag für ein solches Wesen.«
    »So sollten Sie nicht denken!«, mahnte Dedlock. »Ich gebe nie auf! Eines können Sie nicht in Abrede stellen: Ich habe in meinem langen Leben niemals aufgegeben! Kein einziges Mal!«
    Barbara gähnte. »Ihr Leben. Ihr langes, langes Leben. Haben Sie eine Vorstellung davon, wie sehr alle es satthaben, etwas über Ihr langes Leben zu hören? Einhundertfünfundsiebzig Jahre langweiliger Geschichtchen.«
    »Ohne mich und mein Eingreifen wäre diese Stadt in dieser Minute eine Sklavenkolonie! Und Sie wären in Ketten geboren worden!«
    »Ich will Ihnen etwas sagen: Heute Morgen sind mir eine Menge Dinge wieder eingefallen. In diesem seltsamen Körper, den Jasper für mich gemacht hat, ist ziemlich viel Estella enthalten. Und während der letzten Stunden brach ein Schwall ihrer Erinnerungen über mich herein. Sie fragten, was ich hier tue …«
    »Ja?«
    »Ich bin hergekommen, um Ihnen eine Frage zu stellen.«
    »Großartiger Zeitpunkt für eine Frage, wenn die ganze Welt rundum zusammenbricht!«
    »Warum ich? Warum haben Sie mich dazu bestimmt, Leviathan zu beherbergen? Sie mussten doch wissen, dass Sie mir damit eine lebenslange Strafe auferlegten!«
    Dedlock schwamm dicht ans Glas seines Tanks heran. »Es war keine leichtfertige Entscheidung. Gott weiß, ich musste damit leben.«
    »Sie mussten damit leben? Sie?« Blanke Wut sprach aus Barbaras Gesichtszügen – der lodernde Zorn eines Moses beim Erblicken des goldenen Kalbes. Eine Sekunde lang hielt sie das, was in ihren Händen war, hoch in die Luft. Doch dann fand sie ihr Gleichgewicht wieder und ließ es sinken. »Sie haben zugelassen, dass Estella zu dem wurde, was sie schließlich war – ein stummer Koloss in einem Kellergeschoss, betatscht von einem öligen Affen, der meinen Schweiß erntete!«
    »Dafür müssen Sie Ihren Liebhaber verantwortlich machen. Er war es, der Sie vor uns versteckt hat. Außerdem hatten wir kaum eine andere Wahl. Sie waren die Einzige, die stark genug war, die Bestie zu dominieren und im Zaum zu halten. Im Übrigen fehlte es uns an Zeit. Sagen Sie, meine Liebe, was hätten Sie an meiner Stelle getan?«
    »Ich kenne den wahren Grund, weshalb Sie mich ausgewählt haben. Und der hat mit Unversöhnlichkeit zu tun.«
    »Mit Unversöhnlichkeit?«
    »Sie sagten mir einmal, Sie würden mich lieben. Erinnern Sie sich?«
    Ein unbehagliches Platschen. »Vielleicht. Mag sein, dass ich einem spontanen Gefühlsausbruch erlag. Möglicherweise nahm ich an, etwas zu empfinden …«
    »Sie hatten niemals Gefühle für mich. Und ganz gewiss haben Sie mich nie geliebt. Sie wollten mich nur besitzen.«
    »Wo liegt der Unterschied?« Diese letzten Worte stieß er als hässliches Knurren zwischen den Zähnen hervor. Doch nach einer kleinen Pause hatte er sich wieder gefangen, und als er weitersprach, tat er es in beherrschterem Tonfall – darauf abzielend, sie zu besänftigen und friedlich und versöhnlich zu stimmen. »Sie waren so wunderschön, meine Liebe!«
    »Schön, ja«, sagte Barbara ungerührt, »und jung und vertrauensselig.«
    »Aber Sie fühlten sich von mir angezogen! Das war so, ich konnte es riechen!«
    »Was hätte

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