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Das Königshaus der Monster

Titel: Das Königshaus der Monster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Barnes
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Bein hing eingegipst in der Luft. Er sah aus wie ein Statist aus einer Carry-On- Folge – die Sorte Komparsen, die im Hintergrund bei Barbara Windsors Hüftschwung die Augen aufreißt und bei Sid James’ schmutzigen Witzen in schallendes Gelächter ausbricht.
    Ich trat ins Zimmer und blieb vor seinem Bett stehen. »Wir kennen uns.«
    Der Mann sah von seiner Lektüre hoch; ohne Zweifel, er war es. Das spitze Gesicht, der rote Haarschopf, der Anflug von unbekümmerter Brünstigkeit – unverwechselbar.
    »Glaub ich nicht«, sagte der Fensterputzer.
    »Sie sind abgestürzt«, sagte ich. »Direkt vor meine Füße.«
    »Tut mir leid, Kumpel, ich kann mich an nichts erinnern.«
    Ich deutete mit dem Kinn auf sein hochgelagertes Gipsbein. »Sie haben sich das Bein gebrochen?«
    »Nee, ich lieg hier aus Jux und Tollerei! Was denken Sie denn?«
    »Entschuldigen Sie, aber Sie scheinen … Ich möchte wirklich nicht unhöflich sein, aber Sie scheinen sich durchaus wohlzufühlen.«
    »Und? Warum sollte ich nicht?«
    »Sie sind vom fünften Stock gefallen!«
    »Dann bin ich wohl hart im Nehmen, wie?« Offensichtlich gereizt kehrte er nachdrücklich wieder zu seiner Lektüre zurück.
    »Gestern …«, sagte ich, »nach Ihrem Sturz …«
    »Was?«
    »Da wollten Sie mir irgendetwas sagen. Sie wiederholten immerzu, die Antwort sei ›ja‹.«
    Er schnaubte ungehalten. »Und? Man gibt komische Sachen von sich, wenn man eins auf die Birne kriegt. Konnte vermutlich nicht klar denken.«
    »Sie haben keine Ahnung, weshalb Sie das zu mir gesagt haben?«
    »Mann, ich erinnere mich nicht mal dran.« Sein nächster Blick begann als Aufsässigkeit, verschob sich jedoch auf halbem Weg zu dem des Entsinnens. »Kenne ich Sie nicht von irgendwoher?«
    »Ah«, lächelte ich, »also kommt die Erinnerung wieder zurück?«
    »Aus dem Fernsehen«, sagte er. »Sie sind der kleine Junge.«
    Meine Hoffnung war dahin. »Der war ich«, schnauzte ich ihn an. »Ich war mal der kleine Junge, aber der bin ich nicht mehr!«
    »An die Serie erinnere ich mich genau! Was sagten Sie da bloß immerfort?«
    Jetzt wollte ich nur noch weg. »Ich war’s nicht! Großvater war’s.«
    Der Fensterputzer lachte glucksend vor sich hin, hörte abrupt damit auf und meinte: »War eigentlich nicht besonders lustig, wie?«
    »Vielen Dank.«
    »Jetzt, wo ich’s mir überlege, war die ganze Sache ein lausiger Murks.«
    »Ist immer nett, einem Fan zu begegnen«, stellte ich fest.
    »Sie machen jetzt besser ’ne Fliege, die Besuchszeit ist um.«
    »Nun, dann entschuldigen Sie, dass ich Sie behelligt habe.«
    »Ihr Kumpel wartet schon.« Er deutete mit dem Kopf hinter mich.
    »Wie bitte?«
    »Dort drüben, an der Tür.«
    Er hatte recht. Von der anderen Seite des Saales, gleich beim Ausgang, beobachtete uns jemand. Er verschwand, als ich mich nach ihm umdrehte, aber ich hatte genug von ihm gesehen, um ihn als Mister Jasper, den Mann aus Peters Büro, zu identifizieren.
    Mit der Miene eines Lesers, der nicht mehr gestört zu werden wünscht, vertiefte sich der Fensterputzer in die Fußballergebnisse, und ich machte mich augenblicklich auf nach draußen in die Kälte. Falls Jasper überhaupt je hier gewesen war, dann hatte er sich mittlerweile aus dem Staub gemacht.
    Ich radelte nach Hause, während sich in meinem Kopf die unbeantworteten Fragen überschlugen.
     
    Abbey war noch auf und blätterte in einem Wälzer, der die Scheidungsgesetzgebung zum Thema hatte. Meine Hauswirtin arbeitete in irgendeiner mysteriösen Eigenschaft bei einer Anwaltsfirma in der Innenstadt; ich kam nie dahinter, welcher genauen Beschäftigung sie dort nachging. Ich fragte sie etliche Male danach (schließlich hängte ich mich an jede Hoffnung, mit ihr ins Gespräch zu kommen!), aber sie wich dem Thema immer aus und erklärte nur, es sei zu öde, um auch nur ein Wort darüber zu verlieren. Was immer ihre Tätigkeit war, Abbey fand sie langweilig und hatte mir gegenüber mehr als einmal geklagt, eigentlich etwas Besseres mit ihrem Leben anfangen zu wollen, etwas Höheres, Nützlicheres.
    »Henry! Ich habe mir schon Sorgen gemacht!«
    »Ich war im Krankenhaus.«
    »Keine Veränderung?«
    »Keine Veränderung.«
    »Setz dich. Ich bringe dir Kaffee.« Abbey war auf den Beinen und auf dem Weg in die Küche, noch ehe ich sie zurückhalten konnte. »Zwei Stück Zucker, richtig?«
    Ich bejahte dankbar und ließ mich in das weiche Sofa sinken, erleichtert, dass der Tag sich seinem Ende zuneigte.
    Abbey drückte

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