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Das Königshaus der Monster

Titel: Das Königshaus der Monster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Barnes
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trat ins Haus, stieß mit dem Fuß den Berg Post zur Seite, der sich hinter der Tür angesammelt hatte, und wurde augenblicklich von akuter Traurigkeit übermannt: Derselbe Geruch wie eh und je hing in der Luft – nach Bratwurst, fett und fast schwarz, der einzigen warmen Mahlzeit, die der Alte sich hatte zubereiten können. Und es war auch das Einzige, was ich je zu essen bekam, wenn ich in den Schulferien bei ihm wohnte; was auf dem Tisch stand, als ich nach all den Operationen aus dem Krankenhaus kam; was er mir an dem Abend vorgesetzt hatte, als mein Vater gestorben war.
    Der Geruch der Vergangenheit setzte sich in meiner Nase fest, und ich fiel völlig erschöpft in den großen Armsessel im Wohnzimmer. In diesem Augenblick hätte ich alles darum gegeben, wieder acht Jahre alt zu sein, mit einem Großvater, der gesund und munter, und einem Vater, der am Leben war – alles für einen mildernden Schleier aus kindlicher Unschuld.
    Etwas Kleines, Weiches strich an meinem Bein vorbei, und mein Blick fiel auf einen dicken grauen Kater, der mit hoffnungsvollen Augen zu mir hochsah. Zögernd streckte ich die Hand aus; da er nicht zurückscheute, kraulte ich ihm das Fell, worauf er ein zufriedenes Schnurren hören ließ. »Du musst ja furchtbar hungrig sein«, sagte ich.
    Im Küchenschrank fand ich ein paar Dosen Katzenfutter, von denen ich eine öffnete; ich löffelte den Inhalt heraus, und der Kater stürzte sich mit größtem Appetit darauf. Kaum hatte er fertig gefressen, bettelte er mich auch schon um mehr an.
    Der Kater war nicht das Einzige, was mir fremd war. Wie immer war das Wohnzimmer randvoll mit Büchern, doch von einer völlig neuen Sorte. Ich erinnerte mich an Drehbücher mit Eselsohren (Galton und Simpson, The Goons, ITMA, The Navy Lark) und meterweise Comics, die sich bis an die Decke stapelten, doch jetzt war alles anders: Diese Bücher hier beschäftigten sich mit den obskursten esoterischen Themen – dicke, wertvoll aussehende Schwarten über Wahrsagerei, Telepathie, Handlesekunst, Tarot, Freimaurertum, Rasputin, Seelenwanderung, Madame Blavatsky, Astralprojektion, Nostradamus, Eliphas Levi, die Vorbereitung von Menschenopfern und das Ende der Welt. Bücher mit schrecklichen, wunderbaren Titeln. Seltsam riechende Bücher, deren Berührung ein Prickeln verursachte.
    Sie sind jetzt natürlich alle dahin.
    In den vergangenen paar Jahren hatte ich Großvater nicht so oft gesehen, wie es meine Pflicht gewesen wäre, und hatte ihn kaum je zu Hause besucht. Eigentlich nur zweimal – einmal, als ich auf Arbeitssuche war und wir beide den Nachmittag damit verbrachten, die Stellenangebote in den Zeitungen durchzuackern, und ein weiteres Mal vor einigen Monaten, als wir in fast gleicher Weise auf Wohnungssuche für mich gingen und das Zimmer zur Untermiete in Tooting Bec entdeckten. Doch dann, seit ich Abbey kennengelernt hatte, sank die Zahl meiner Besuche auf Null.
    Mein schlechtes Gewissen zwang mich dazu, mir selbst etwas vorzulügen – dass die Arbeit mich zu sehr in Anspruch nahm und ich mich erst einmal an meinem neuen Wohnort zurechtfinden musste, dass es nicht auf die Häufigkeit meiner Besuche ankam, sondern auf ihre Beschaffenheit –, aber nichts davon war dazu angetan, meine Gewissensbisse zu verdrängen.
    Dennoch wunderte ich mich jetzt, dass ich keines dieser Bücher je zuvor zu Gesicht bekommen hatte. Selbstverständlich bestand die Möglichkeit, dass er sie alle erst kurz zuvor gekauft hatte, aber mit ihren rissigen Rücken, behelfsmäßigen Lesezeichen und zahllosen Randbemerkungen in einer Handschrift, die ich ohne jeden Zweifel als die seine erkannte, wirkten sie eher wie eine liebgewordene, seit langem angesammelte Bibliothek.
    Ein optimistisches Miauen und der neuerliche entschlossene Druck gegen mein Bein lenkten mich von meinen Gedanken ab. Der Kater sah mich vorwurfsvoll an und tapste Richtung Küche. Ich folgte ihm mit der Absicht, eine weitere Dose zu öffnen, doch noch vor der Küchentür bog der Kater ab, nahm die Treppe und verschwand oben im Schlafzimmer. In der Erwartung, dort eine tote Maus oder das in einer knappen Woche produzierbare Chaos vorzufinden, folgte ich dem Tier und entdeckte, dass sich auch hier alles Mögliche verändert hatte.
    Im Schlafzimmer standen ein kleines Bett (ungemacht und überhäuft mit Decken), ein Tisch mit einem kaffeefleckigen Exemplar des Mirror und ein von Hand aufziehbarer Wecker, der um 12 Uhr 14 stehen geblieben war. Neu hingegen war das

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