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Das Königshaus der Monster

Titel: Das Königshaus der Monster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Barnes
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Estella sein. Das Geheimnis ihres Aufenthaltsortes bewirkt seit vielen Jahren ein Patt in diesem Krieg.
    Du musst in jedem Fall meinen Anweisungen buchstabengetreu folgen, und vor allem musst du auf das Programm vertrauen. Denk stets daran, Henry: Was auch immer geschieht – vertraue dem Programm.
     
    Der Kater lehnte sich an meine Beine und miaute.
    »Was steht drinnen?«, fragte Jasper aufgeregt und erleichtert zugleich.
    »Ich glaube, es ist eine Liste von Instruktionen. Irgendwas über ein Programm.«
    Jasper war nahe am Kichern. »Wir sind gerettet!«
    Der Kater drückte sich an meinen Fußgelenken vorbei und stakste majestätisch zur Tür. Dort blieb er stehen, blickte zurück und stieß ein letztes ungeduldiges Jaulen aus.
    »Wissen Sie, was«, sagte ich, »mir scheint, der Kater möchte, dass wir ihm folgen.«
    »Lächerlich«, entgegnete Jasper, doch ich bemerkte, dass er dicht an meinen Fersen war, als ich durchs Zimmer ging. Aber vielleicht war das nur so wegen des Buches, das ich in der Hand hielt und von dem Jasper angezogen wurde wie ein Hund von der Wurst.
    Was auch immer sein Motiv gewesen war, es erwies sich als glücklich für ihn, denn wären Mister Jasper und ich dort vor dem Safe stehen geblieben, hätten uns die beiden zischenden Flammenbälle, die ein paar Sekunden später durchs Fenster krachten, mitten ins Gesicht getroffen. So hingegen prallten sie von der gegenüberliegenden Wand ab, fielen auf den Teppich und brannten weiter.
    Fast augenblicklich war der Raum mit Helligkeit und Lärm erfüllt. Bis dahin war mir nie aufgefallen, wie viel Lärm ein Feuer verursacht, welch apokalyptisches Tosen und Brausen. Der Rauch nahm uns die Luft zum Atmen, unsere Augen fingen an zu tränen, und wir stürzten aus dem Zimmer, stolperten auf den Flur und die Treppe hinab; der Kater jagte in langen Sätzen vor uns her. Hinter uns hörten wir das Schlafzimmer in Flammen aufgehen, das Ächzen und Stöhnen der Bodenbretter, das Knacken der Möbel, das Platzen von Spanholzplatten und Plastik. Von draußen drangen Geschrei und panisches Kreischen herein. Beißender Rauch nahm mir die Sicht, und ich musste beim Eingang blind nach der Klinke tasten, sodass ich es erst eine kleine Ewigkeit später schaffte, die Tür zu öffnen. Dankbar taumelten wir hinaus auf die Straße.
    Draußen hatte sich bereits eine Menschenmenge angesammelt, wie immer magisch angezogen von Katastrophen jeglicher Art. Ein stämmiger, stiernackiger Mann rannte auf uns zu und zerrte uns aus dem Rauch.
    »Alles in Ordnung, ihr beiden?«, fragte er, als wir aufgehört hatten zu husten. Von ferne hörte ich näher kommende Sirenen.
    »Danke«, brachte ich schließlich hervor, während ich mir das Wasser aus den Augen wischte. »Alles okay.«
    »Verdammt.« Der Stiernackige schien wütend zu sein. Ich bemerkte, dass er das gleiche fleischfarbene Plastikding im Ohr trug wie Mister Jasper. »Wie, zum Teufel, konnten sie wissen, dass wir hier sind?«
    »Keine Ahnung«, sagte Jasper mit versengtem Haar, rußbedeckt und übellaunig. »Henry Lamb – das ist unser Sicherheitschef. Steerforth, darf ich Ihnen Henry Lamb vorstellen.«
    Mister Steerforth war nicht unbedingt dick, aber er verfügte über diese Art von solidem, kernigem Körperbau, bei dem man sich unwillkürlich fragt, wie viel davon Muskel ist und wie viel einfach nur Fett. Sein blondes Haar sah gefärbt aus und war bereits äußerst schütter, was er erfolglos zu kaschieren versuchte, indem er es – in der Mitte der Stirn spitz zulaufend – nach vorn kämmte. Ich hätte ihn mir gut als amerikanischen Football-Spieler vorstellen können, der als langsam grau werdender Quarterback zum Abschluss seiner Karriere die Chance erhält, sich ein letztes Mal in einem Spiel zu bewähren.
    »Henry«, wandte Jasper sich leise an mich. »Wo ist das Buch?«
    Ich war plötzlich den Tränen nahe. »Drinnen. Ich habe es wohl fallen lassen.«
    Steerforth brauchte keine weitere Aufforderung; ungeachtet des Umstandes, dass schwarze Rauchwolken aus den Fenstern und der Tür von Großvaters Haus quollen, ungeachtet der mannshohen Flammenzungen, die im Inneren deutlich zu erkennen waren, stürmte Steerforth mit dem Enthusiasmus eines jungen Hundes, der seinem ersten Stöckchen nachjagt, in das Gebäude hinein.
    Ich wandte mich zu Jasper. »Kann er das denn überstehen?«
    »Steerforth weiß nicht, was Furcht ist.« Ich war mir nicht sicher, ob der Unterton Bewunderung, Neid oder Sarkasmus ausdrückte – und

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