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Das Königshaus der Monster

Titel: Das Königshaus der Monster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Barnes
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Druck ihres Mundes auf meinem, die süße Wärme ihres Atems, das feuchte Eindringen ihrer Zunge. Doch dann ging uns die Luft aus, und wir richteten uns beide auf und starrten einander mit einem dümmlichen, nassen Grinsen an. Ohne zu reden.
    Und dann klingelte das Telefon. Das Festnetz diesmal.
    Abbey schüttelte den Kopf, ihre Miene eine einzige stumme, ärgerliche Warnung.
    Leider bin ich ein Mensch, der das Ignorieren des Telefons für eine Art böses Omen hält. Ich kann einfach nicht an einem schrillenden Apparat vorbeigehen, ohne völlig irrationale Gewissensbisse zu empfinden. Also stand ich selbstverständlich auf, hob ab und bemühte mich, nicht allzu atemlos zu klingen.
    »Hallo?«
    »Henry Lamb?« Eine unerfreulich bekannte Stimme.
    »Am Apparat.«
    »Ich rufe im Auftrag von Gadarene-Glas an.«
    Ich spürte, wie es in mir brodelte. »Ich entsinne mich, Sie ersucht zu haben, mich nicht mehr zu belästigen!«
    »Ja, das stimmt wohl. Aber ich hatte den Eindruck, ich wäre es Ihnen wirklich schuldig, noch einen letzten Versuch zu machen. Hätten Sie Interesse an neuen Fenstern?«
    »Nein«, sagte ich schneidend, »hätte ich nicht.«
    »Und das ist Ihre endgültige Antwort? Ihre Antwort ist ›nein‹?«
    »Ganz recht.«
    Die Anruferin sagte nichts. Es folgte eine lange Stille, in der mir die wahre Tragweite ihrer Worte wie nasse Lappen um die Ohren zu fliegen begann und mir letztlich geradezu einen Kinnhaken versetzte.
    »Aber wenn ich’s mir recht überlege …«
    »Was?« Sie klang entnervt, wie eine Lehrerin, die einem ganz besonders begriffsstutzigen Kind das ABC eintrichtern musste. »Wie lautet Ihre Antwort jetzt?«
    »Die Antwort ist ›ja‹«, sagte ich zögerlich und wiederholte dann mit festerer Stimme: »Die Antwort ist ›ja‹!«
    Die Verbindung wurde unterbrochen.
    Abbey sah mich an, als hätte ich den Verstand verloren. »Was sollte das denn wieder?«
    Es klingelte an der Haustür – hektisch, pausenlos, die Art von Klingeln, die man erwarten würde, wenn jemand vor der Schwelle soeben einem Mord zum Opfer gefallen wäre.
    »Bleib hier«, sagte ich, schritt angefeuert vom Cocktail, der Geburtstagstorte und dem besten Kuss meines Lebens zur Haustür und riss sie auf.
    Eine kleine alte Dame stand draußen. Mit ihrer tadellosen Haltung, den übergroßen Brillengläsern und den peniblen grauen Löckchen hätte man sie eher beim Sommerfest der Pfarrei am Kuchenstand vermuten sollen als nachts auf unserer Türschwelle in Tooting Bec.
    Ihr rechter Zeigefinger war fest gegen den Klingelknopf gepresst, doch als sie mich erblickte, ließ sie ihn freundlicherweise sinken. »Ihr Großvater sagte, sie wären intelligent. Offenbar haben seine Gefühle sein Urteilsvermögen beeinträchtigt.«
    »Wer, um alles in der Welt, sind Sie?«
    »Sie befinden sich in allerhöchster Gefahr, Mister Lamb.«
    »Ich habe Sie gefragt, wer Sie sind!«
    »Ich bin eine Verbündete. Das ist alles, was Sie im Augenblick wissen müssen. Ich nehme an, Ihr Großvater hat Ihnen nie etwas vom Codewort gesagt.«
    »Mein Großvater ist im Krankenhaus. Er liegt im Koma.«
    »Aber er hat genaue Pläne entworfen, Henry. Und ich spiele darin nur meine mir zugewiesene Rolle.« Sie lugte an mir vorbei ins Innere des Hauses. »Bemerkenswert. Es hat sich kein bisschen verändert.«
    »Was?«
    »Ich nehme an, Sie wissen zu diesem Zeitpunkt bereits, wer Ihr Großvater war? Was er war?«
    »Dann stimmt das alles?«, fragte ich mit ruhiger Stimme.
    »Alles, Mister Lamb. Und eine ganze Menge der wirklich unangenehmen Einzelheiten wird noch auf Sie zukommen.« Sie blickte die Straße hinunter. Ein zerbeultes Auto in der Farbe von Abwasser rumpelte vorbei, und die alte Dame bückte sich ein wenig und nahm den Fahrer in Augenschein. »Ich darf nicht lange hierbleiben. Man wird Sie überwachen lassen.«
    »Überwachen? Mich?«
    »Sagen Sie niemandem, dass Sie mich getroffen haben. Nicht einmal Dedlock.«
    »Sie kennen Dedlock?«
    »Ich kenne sie alle. Kannte sie jedenfalls.« Sie bedachte mich mit einem Blick, der so angewidert war, als hätte ich einen Darmwind abgehen lassen und frech dazu gelacht. »Was für ein scheußlicher Pullover.«
    »Er ist ein Geschenk«, rechtfertigte ich mich. Dann erinnerte ich mich an den Ernst der Situation und fügte hinzu: »Ich glaube, Sie sollten besser eintreten.«
    »Nicht heute Abend. Der Feind ist nicht weit. Wir werden uns bald wiedersehen. Bis dahin – geben Sie gut auf sich acht.«
    Bevor ich sie

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