Das Königshaus der Monster
Vampir?«
»Bitten Sie mich einfach nur ins Haus, Henry.«
Ich hob die Schultern. »Na gut. Kommen Sie rein.«
Jasper schritt über die Schwelle und sah sich mit gehetzter Miene nach allen Seiten um, als erwartete er, jeden Moment von einer Ladung aus einem Selbstschussapparat durchlöchert zu werden oder durch eine Falltür ins Bodenlose zu stürzen. »Wir wollen nicht herumtrödeln. Sie werden uns beobachten.«
Ich überließ ihn seinem melodramatischen Getue und machte mich, übermannt von den Erinnerungen, die der Geruch nach verbrannter Bratwurst in mir hervorrief, auf die Suche nach dem Kater – in der Küche, im Bad, im Wohnzimmer.
»Gibt es einen Safe im Haus?«, rief Jasper.
»Großvater hatte nie einen Safe.«
»Er würde ihn natürlich getarnt haben, und so muss er nicht unbedingt wie ein Safe aussehen. Eher wie eine Metallplatte.«
Eine Sekunde lang schwankte ich, dann sagte ich: »Sie sollten vielleicht nach oben kommen.«
Das Schlafzimmer sah genauso aus wie letztes Mal – unverändert, mumifiziert: die kaffeefleckige Zeitung, die Uhr, die um 12 Uhr 14 stehen geblieben war, mein Kinderfoto, das immer noch schief hing. Ich erwartete, dass Jasper bei seinem Anblick irgendeine Stichelei loslassen würde – irgendein Kleinod aus dem Schatzkästlein beißender Ironie, betreffend Worse Things Happen at Sea –, aber seine Nerven flatterten ganz offensichtlich derart, dass er fieberhaft in jeden Winkel starrte und wie ein verschrecktes Eichhörnchen beim kleinsten Geräusch zusammenfuhr.
Ich schob das Bild zur Seite, um ihm die Metallplatte dahinter zu zeigen. »Ist es das, wonach wir suchen?«
Jasper beugte sich tief über die Platte, besah sich das Schlüsselloch und die Zähne, die einen Kreis darin bildeten. »DNA-Sperre«, murmelte er. »Geben Sie mir Ihre Hand.«
»Was?«, rief ich. »Was wollen Sie mit meiner Hand?«
Er verdrehte die Augen. »Henry, Sie sind nicht wegen Ihres hübschen Gesichts hier oder wegen Ihrer prachtvollen Muskeln! Geben Sie mir nur einfach Ihre Hand, ja?« Er packte meine Linke. »Ich benötige kurz Ihren Daumen.«
»Oh«, sagte ich misstrauisch.
»Drücken Sie ihn gegen das Loch. Fest, sodass Blut kommt.«
»Wie? Warum?«
»Sagte ich doch schon: DNA-Sperre. So wie ich ihn kannte, bleibt wohl alles irgendwie in der Familie.«
Ich protestierte und erklärte, dass ich keine Ahnung hätte, wovon er sprach.
»Henry, bitte. Sie können sich auf mich verlassen.«
»Sind Sie sicher?«
»Herr im Himmel, die Zeit wird knapp!«
Obschon voller Argwohn, fühlte ich mich dennoch gezwungen zu tun, was er verlangte, und presste meinen Daumen mit aller Kraft gegen das Loch. Die scharfen Zähne bohrten sich augenblicklich in mein Fleisch, und ich jaulte erschrocken auf. Als ich den Daumen wegriss, war das Metall mit Blut befleckt.
Mit einem leisen Klicken glitt die Platte zur Seite.
»Sehen Sie?«, sagte Jasper.
In diesem Moment strich etwas Pelziges an meinem Bein entlang, und ich blickte hinunter.
»Hallo!«, sagte ich, und der Kater schnurrte glücklich zurück. Zu meiner Erleichterung sah er genauso gut genährt aus wie beim letzten Mal. »Ich habe dir Futter mitgebracht.«
»Lassen Sie die Katze sein!«, schnauzte mich Jasper an. »Was ist im Safe?«
In der Wand befand sich eine Nische, die bis auf ein dickes Notizbuch völlig leer war. Ich nahm es heraus und entdeckte, dass auf dem Umschlag ein weißes Schildchen klebte. Darauf stand geschrieben:
Für Henry
So offene Begierde sprach aus Jaspers Augen, dass ich dachte, er würde mir das Büchlein aus der Hand reißen wie ein eifersüchtiges Schulmädchen, das der Banknachbarin den Liebesbrief wegschnappt.
»Was steht drinnen?«, fragte er. »Schnell! Was steht drinnen?« Ich klappte es auf und sah, dass das Buch mit einer vertrauten Handschrift angefüllt war; Großvater hatte sie so kraftvoll aufgetragen, dass die Buchstaben sich auf der Rückseite der Blätter durchdrückten.
Auf der ersten Seite stand:
Lieber Henry!
Solltest du dies hier lesen, dann hat mich irgendein Unglück ereilt – entweder durch meine eigene Dummheit oder durch die Hand des Feindes. Ich nehme an, du hast bereits Bekanntschaft mit dem Direktorium gemacht und somit erahnt, dass mein Leben – und das deine – aus weitaus mehr bestand, als ich dich je erkennen ließ. Dafür bitte ich dich aus ganzem Herzen um Vergebung.
Sowohl das Direktorium als auch das Haus Windsor werden auf der Suche nach der Frau mit dem Namen
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