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Das Königshaus der Monster

Titel: Das Königshaus der Monster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Barnes
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Weg?« Er zuckte zusammen. »Sie kennen meine Meinung dazu, Sir.« Ein Kauen an der Lippe, ein widerstrebendes Nicken. »Jawohl, Sir. Wir werden es Henry sagen.«
    »Was soll das heißen?«, fragte ich. »Was sollen Sie mir sagen?«
    Mister Jasper sah aus, als wolle er jeden Moment anfangen zu weinen. Sein Glas klebte in den halb vertrockneten Pfützen aus verschüttetem Bier fest. »Diese Bude ist dreckig«, sagte er. »Dreckig!« Eine Art fieberhafte Eindringlichkeit stahl sich in seine Stimme. »Sie wurden schon erwartet, Henry. Wussten Sie das? Sie sagten uns, dass Sie kommen würden.«
    »Wer sagte Ihnen das? Wovon reden Sie?«
    Jasper verzog das Gesicht auf eine Weise, als bereite ihm jedes Wort Schmerzen, als koste ihn jede Silbe größte Überwindung. »Irgendwo nicht weit von hier, tief unter der Erde in ihrer eigenen finsteren Höhle, sitzen zwei Kriegsgefangene. An ihren Händen klebt das Blut von Hunderten Menschen. Sie werden das Gefängnis nicht lebend verlassen.«
    Hinter uns zuckten die Tagesleuchtfarben der Europop-Laser.
    »Im Laufe ihrer Strafverbüßung haben diese Gefangenen zu keiner Menschenseele gesprochen. Kein einziges Wort. Doch letzte Woche erwähnten sie ihrer Wache gegenüber ganz beiläufig zwei Dinge: Sie nannten einen Namen; und sie warnten uns vor …«
    »Aber was hat das alles mit mir zu tun?«, unterbrach ich ihn.
    »Sie informierten uns über Ihren Großvater, noch bevor es geschah. Und dann nannten sie uns Ihren Namen.«
    »Wer sind diese Leute? Wieso wissen sie irgendetwas über mich?«
    »Das kann ich nicht sagen. Aber – Gott möge mir vergeben – wir haben keine andere Wahl, als Sie einzuweihen.«
    Steerforth wischte sich mit dem Handrücken über den Mund, was ein schmatzendes, schlürfendes Geräusch verursachte. »Morgen ist der Tag der Wahrheit, Henry. An Ihrer Stelle würde ich austrinken. Genießen Sie Ihre letzte Nacht in Freiheit.« Er nahm einen Zug von seiner Zigarette und blies den Rauch in einem langen, dünnen grauen Faden aus. Ich hatte ihn schwer im Verdacht, zu der Sorte Männer zu gehören, die nicht rauchen, weil es ihnen schmeckt, sondern weil sie immer noch denken, es wäre cool. Er zwinkerte jemandem an der Theke zu – einem dünnen Mädchen in engen schwarzen Jeans. »Entschuldigt mich kurz, meine Herren. Eins-A-Biene.« Er stand auf und schritt breitbeinig auf das Mädchen zu.
    Jasper murmelte irgendetwas Unfreundliches, und doch fiel mir auf, dass er den Blick keinen Moment lang von Steerforth abwandte.
    Plötzlich erinnerte ich mich und sah auf meine Uhr. »Ach, verdammt!«
    »Was ist los?«
    »Sie meinen, außer dass das Haus meines Großvaters abgebrannt ist?«
    Jasper nickte zerstreut, als wäre so ein Brand sein täglich Brot.
    Ich griff nach meinem Jackett. »Bin spät dran.«
    »Wofür?«
    »Für ein Rendezvous.« Es war das erste Mal an jenem Tag, dass mir nach Lächeln zumute war.
    Bevor ich davoneilen konnte, packte Jasper mich am Arm und hielt mich fest. »Morgen kommen Sie zu allererst zum Riesenrad. Der Krieg steht auf des Messers Schneide.« Er sank wieder in sich zusammen und nahm einen Schluck Bailey’s. »Und jetzt sollten Sie besser gehen. Lassen Sie Abbey nicht warten.«
    Ich flitzte durch die Tür und rannte zur Bahnstation, dankbar, wieder mein eigener Herr zu sein. Erst später kam mir der Gedanke, mich zu fragen, woher eigentlich Jasper ihren Namen kannte.
     
    Sie wartete vor dem Lichtspielhaus in Clapham; ein Anflug von Verärgerung trübte ihre Schönheit. Ich muss wohl ganz miserabel ausgesehen haben, denn sobald sie mich erblickte, wechselte ihr Gesichtsausdruck zu Mitgefühl und Sorge. Sie machte furchtbar viel Wesens um mich, strich mir übers Haar, richtete mir das Jackett und blies mir verkohlte Papierflöckchen von den Aufschlägen.
    »Was ist passiert? Du riechst nach Rauch.«
    Ich war mir nicht ganz sicher, inwieweit ich sie ins Vertrauen ziehen sollte, ohne sie zu gefährden. »Ich war in Großvaters Haus. Es hat ein Unglück gegeben … ein Feuer.«
    »O du Armer!« Sie küsste mich keusch auf die Stirn. »Das hat dich wohl arg mitgenommen.«
    »Es ist kompliziert.«
    »Hör mal, wir haben den Film versäumt. Und du bist völlig kaputt. Lass uns nach Hause gehen.«
    Ich nickte dankbar. »Tut mir so leid …«
    »Schon okay«, grinste sie. »Da hast du einiges gutzumachen bei mir!«
     
    Drei Stationen mit der Northern Line, und wir waren wieder daheim. Abbey machte Bohnen und Toast, und wir saßen schweigend

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