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Das Königshaus der Monster

Titel: Das Königshaus der Monster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Barnes
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jetzt frage ich mich, ob es sich nicht um etwas völlig anderes gehandelt hat.
    Fünf oder sechs unerträglich lange Minuten vergingen, bis Steerforth wieder auftauchte, ein Taschentuch um Mund und Nase gebunden, die Stirn schwarz verschmiert. Er hatte etwas unter den Arm geklemmt.
    Unter dem heiseren Beifallsgeschrei der versammelten Zuschauer rannte er in dem Moment zu uns herüber, als die Feuerwehr und zwei Polizeiautos in den Temple Drive einbogen.
    »Hast du es?«, zischte Jasper.
    »Das Buch ist verbrannt.«
    »Waass?« Jaspers Augen schienen aus den Höhlen zu treten.
    »Aber den kleinen Kerl da hab ich gerettet.«
    Steerforth drückte mir ein graues Fellbündel in die Arme. Unbeholfen hielt ich es fest, und als es zu mir hochblickte, hätte ich schwören können, dass Großvaters Kater mich angrinste.
     
    Steerforth schlug einen Schoppen Bier vor. Eine Anzahl Sanitäter und Polizisten schwirrte um uns herum, aber ein Wort von Jasper genügte – »Direktorium« –, um sie fügsam und willig in die Nacht davonzuschicken.
    Ärgerlicherweise hatte der Kater es ihnen gleichgetan, hatte sich aus meinen Armen gewunden und war in die Dunkelheit gerannt, ehe ich irgendetwas unternehmen konnte, um ihn zurückzuhalten. Ich machte mich auf eine fieberhafte Suche nach ihm, aber Steerforth, der offenbar sein Bier nicht erwarten konnte, forderte mich auf, meine Fahndung einzustellen, und schubste mich nicht allzu behutsam in Richtung The Rose and Crown.
    Die anderen beiden betraten das Pub, auch wenn es offenbar als eine Art Disco für Schulschwänzer fungierte, während ich draußen zurückblieb, um ein Telefonat zu führen.
    Es dauerte eine ganze Weile, ehe die Verbindung zustande kam, dann: »Mama?«
    »Schätzchen!«
    Aus dem Pub drang ein begeistertes Aufbrüllen, als Come on Eileen aus den Lautsprechern dröhnte.
    »Um Himmels willen, wo bist du?«, rief Mutter.
    »Das ist eine lange Geschichte. Also, ich weiß gar nicht, wie ich dir das sagen soll, aber … Irgendjemand hat Großvaters Haus in die Luft gejagt.«
    »Nein, wirklich?« Mama klang gelangweilt.
    »Es ist völlig ausgebrannt.«
    »Aha.« Ich hörte, dass jemand zu ihr sprach. »Wieder Henry«, sagte sie daraufhin.
    »Ich war drinnen, als es passierte.« Mamas Mangel an Interesse brachte mich einigermaßen aus der Fassung.
    »Klingt aufregend. Du musst mir alles genau erzählen, wenn wir wieder zurück sind.« Sie kicherte. »Apropos, Gordy schickt dir einen dicken Kuss. Dicker Kuss von Gordy.«
    »Tag, Gordy«, sagte ich teilnahmslos.
    »Hör mal, ich muss jetzt Schluss machen. Das kostet uns ja ein Vermögen! Mach’s gut, mein Schatz!«
    Ich war so wütend, dass ich auf die Taste drückte, um das Gespräch zu beenden, ohne mich zu verabschieden.
    Als ich das Pub betrat, hatte Livin’ La Vida Loca gerade begonnen, und Steerforth trommelte dazu im Takt mit den Fingern auf den Tisch. Als der Refrain einsetzte, fing er an, seltsame vogelartige Bewegungen mit dem Kopf zu vollführen, während Mister Jasper ihm peinlich berührt dabei zusah und an seinem Bailey’s nippte.
    Das Pub selbst war praktisch ausgestorben; das gesamte Leben schien sich in einem Veranstaltungsraum nebenan abzuspielen, wo Dutzende Teenager mit einer der folgenden Tätigkeiten schwer beschäftigt waren: Tanzen, Trinken, Knutschen, Rauchen und Umkippen. Der Geruch nach Hormonen, der schwere Duft des Heranwachsens, lag fast greifbar in der Luft.
    Steerforth schob ein Glas vor mich hin. »Ein Stella Artois? Hübsch kalt?«
    »Was für ein schwarzer Tag«, murmelte Jasper trübselig.
    Steerforth ignorierte die auffallend angebrachten Rauchverbotszeichen, zog eine Packung Zigaretten hervor und hob sie mit einem fragenden Blick in meine Richtung hoch. Ich schüttelte den Kopf. Jasper wirkte angewidert und murmelte etwas, das klang wie »schmutzig«.
    Steerforth riss das Zellophan von der Packung. »Du weißt, was wir zu tun haben.«
    »Nein, nicht das!«Jaspers Stimme bebte. »Nicht sie!«
    »Es gibt keine andere Möglichkeit«, sagte Steerforth, zog ein Feuerzeug aus der Jackentasche und hielt die Flamme an die Zigarette. Ich bemerkte, dass er größte Schwierigkeiten hatte, sie anzuzünden, weil ungeachtet des kurz angebundenen, unbekümmerten Tonfalls seine Hände fast unkontrollierbar zitterten.
    Plötzlich hob Jasper ruckartig den Kopf. »Guten Abend, Sir«, sagte er. »Wir sprachen gerade über …« Er unterbrach sich. »Ist das Ihre Überzeugung, Sir? Gibt es keinen anderen

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