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Das Königshaus der Monster

Titel: Das Königshaus der Monster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Barnes
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Abbeys Gesichtsausdruck zu schließen, konnte es kein hübsches Geräusch gewesen sein.
    Als es an der Tür klingelte, war ich froh, aufspringen zu können.
     
    Der Himmel war stürmisch und schwarz, und Mister Steerforth stand auf unserer Schwelle. Er wirkte noch massiger als sonst, denn er war in eine Fliegerjacke und diese Sorte Khakihosen gekleidet, die über eine absurde Anzahl von Taschen verfügen. »Geht’s Ihnen auch gut? Sie sehen miserabel aus.«
    »Alles bestens.«
    Steerforth schnaubte. »Das Geheimnis hat solche Auswirkungen. Sie sollten sich besser daran gewöhnen.«
    »Was wollen Sie?«
    »Holen Sie Ihren Mantel. Heute Nacht gehen wir zu ihnen.«
    »Zu wem?«
    »Ich kann ihre Namen nicht nennen. Nicht ihre wirklichen Namen. Ich nenne sie nur …« Er schluckte hart. »Ich nenne sie die ›Dominomänner‹.«
    »Wie bitte?«
    »Holen Sie einfach Ihren Mantel«, bellte er und fügte – unfähig, ein Grinsen zu unterdrücken – dann hinzu: »Schicker Pullover.«
     
    »Wer war das?«, fragte Abbey; sie teilte ihre Aufmerksamkeit jedoch zwischen mir und dem Fernseher, der soeben eine Montage aus alten Babyfotos des Thronfolgers zeigte.
    »Arbeit. Ich muss noch mal weg.«
    »So spät?«
    »Tut mir leid. Ich kann es nicht ändern.«
    Der Blick, den sie mir zuwarf, war ein Mittelding zwischen Misstrauen und Mitgefühl. »Ich wollte, du könntest mir sagen, was da wirklich vor sich geht.«
    »Glaub mir«, stellte ich erbittert fest, »das möchte ich auch.«
    Es hatte angefangen zu regnen – ein unangenehmes dünnes Nieseln; Barnaby wartete im Wagen, halb liegend auf seinem Sitz, versunken in Die Verbreitung der Ironie: Die Challenger-Erzählungen durch das Prisma der Postmoderne.
    »Was für ein schauderhafter Pullover«, bemerkte er und wischte sich die Nase herausfordernd am Ärmel ab.
    Steerforth saß schon im Wagen.
    »Kommt Jasper nicht mit?«, fragte ich.
    Der Fahrer spuckte aus dem Fenster. »Zu viel Schiss. Legen Sie den Gurt an.« Ich befolgte seine Anordnung, und Barnaby startete den Motor mit der pflichtbewussten Miene eines Mannes, der fremde Kinder zur Schule fährt.
    »Wo geht’s eigentlich hin?«, fragte ich.
    »Sie werden es erfahren, wenn wir dort sind«, sagte Barnaby.
    Steerforth stieß mich in die Rippen. »Dedlock möchte mit Ihnen reden.«
    »Gut.« Ich sah mich nach einem Telefon um. »Und wie?«
    »Einen Moment.« Steerforth verzerrte das Gesicht so krampfhaft, als kämpfte er mit einer unsagbar schlimmen Verstopfung. »Jetzt kommt er durch.«
    Das Gesicht des Mannes verzog sich immer weiter, verbog sich, zuckte und entstellte sich völlig; von immer wiederkehrenden, gummiartigen Wellen überrollt, verschoben sich seine Züge zu einem völlig anderen Aussehen. Es war ganz offensichtlich ein schmerzhafter Vorgang, dessen Qualen erst zu Ende waren, als der Mann, der mir gegenübersaß, vollständig transformiert war. Mag sein, dass er immer noch Steerforths Körper besaß, aber durch irgendeine unbegreifliche Neuordnung seiner Gesichtszüge war er zu einer Kopie des Alten im Glastank geworden. Selbst seine Stimme klang verändert – höher und alterszittrig.
    »Guten Abend, Henry Lamb«, sagte er.
    Ich starrte mein Gegenüber verblüfft an. »Dedlock?«
    »Keine Angst, Steerforth ist mein Wachhund. Der Pitbull des Direktoriums. Vor einiger Zeit unterzog er sich einem kleinen Eingriff, der mich in die Lage versetzt, mir gelegentlich sein Äußeres zu leihen.«
    »Unglaublich …«
    »Apropos unglaublich … Was für ein wundervoller Pullover!« Steerforths Körper stieß eine Reihe von gurgelnden Lauten aus, die ich schließlich als Lachen interpretierte. »Wir haben keine andere Wahl mehr«, fuhr er fort. »Heute Nacht lernen Sie die Gefangenen kennen. Es geht um eine einzige Information, die Sie ihnen entlocken müssen: den Aufenthaltsort dieser Frau namens Estella. Haben Sie das verstanden, Henry Lamb? Habe ich mich klar und deutlich ausgedrückt?«
    »Wer sind diese Gefangenen? Woher wissen sie so viel?«
    »Ich möchte ihre Namen nicht aussprechen. Nicht jetzt.«
    »Dedlock, ich muss wissen, wer diese Menschen sind!« Es regnete nun stärker, und jeder Tropfen war ein Hammerschlag gegen die Scheibe. »So, so.« Das Ding, das in Steerforth steckte, gluckerte ein leises Lachen hervor. »Wer hat denn behauptet, dass es sich um Menschen handelt?«
    Ein letztes Glucksen, dann erschlaffte Steerforths schweißüberströmtes Gesicht und fand langsam seine ursprüngliche Form

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