Das Königshaus der Monster
verwegen schulterlang, und über seinen Gesichtszügen lag bittere Belustigung. Mir war, als würde ich dieses Lächeln kennen, und ich habe da so meinen Verdacht, doch selbst jetzt noch würde ich ungern den Finger darauf legen.
Steerforth schritt auf das Bild zu, zückte ein zweizinkiges Metallrohr – identisch mit jenem, das Jasper auf Großvater gerichtet hatte – und zielte damit auf das Bild. Ein elektronisches Wimmern ertönte, ein leises Klicken, und das Bild schwang nach hinten. Nein, es war kein Bild, das sah ich jetzt, es war eine Tür.
Eine Halogenlampe flammte auf und beleuchtete die glatten Stahlwände eines Aufzugs. Steerforth betrat ihn und forderte mich auf, ihm zu folgen.
Stumpf tat ich, wie mir geheißen, und fragte mich im Stillen, warum mich der Irrsinn dieses Lebens kaum mehr zu berühren schien.
Steerforth drückte einen Knopf, die Tür schloss sich mit einem Zischen, und ich hörte, wie das Bild draußen wieder an seinen Platz zurückkehrte. Ohne das geringste Rucken begann der Lift seine Fahrt nach unten.
»Es hat wohl keinen Sinn, Sie zu fragen, wohin Sie mich bringen?«
Er antwortete nicht.
»Steerforth?«
Der Aufzug blieb stehen, die Tür öffnete sich, und Steerforth schob mich hinaus. Wir befanden uns am Ende eines langen Korridors. Zwei Wachen, beide bewaffnet, grüßten uns mit grimmigem Nicken.
Zu beiden Seiten des Korridors reihten sich Glasfenster aneinander, hinter denen sich kleine, zellenartige Räume befanden; es war, als durchwanderte man das Reptilienhaus eines Zoos. Mit Ausnahme der Geräusche unserer Schritte und des Auf- und Abschlenderns der Wachen herrschte völlige Stille. Als wir weitergingen, sah ich, dass sich in den Zellen hinter den Glasscheiben Menschen befanden – allesamt splitternackt. Sie wirkten krank, doch ihr Verhalten schwankte zwischen den Extremen menschlichen Betragens: Ein Mann fing an, schnatternd zu toben, als er uns erblickte, ein anderer presste die Hände beschwörend an die Scheibe, während ihm Tränen über die dicken Wangen rollten; ein dritter drückte sich, offenbar ohne uns wahrzunehmen, zusammengekrümmt in eine Ecke, wo sein schlaffer Körper ohnmächtig zitterte und bebte. Einer kam mir sogar von irgendwoher bekannt vor; als wir vorbeikamen, ließ er einen dicken Strahl Urin los, um sich augenblicklich hinzuhocken und ihn begeistert aufzulecken.
»Kenne ich den nicht?«
Steerforth gab einen grunzenden Laut von sich. »Gesundheitsminister. Der vorletzte, glaube ich.«
»Das ist doch nicht Ihr Ernst?«
Wir erreichten das Ende des Korridors, den letzten Raum, der im Unterschied zu allen anderen in völliger Finsternis lag. Davor stand eine weitere Wache, die Maschinenpistole umgehängt. Der Mann hatte das auffällige Aussehen jener Art von staatlich gesponserten Soziopathen, die nicht nur töten würden, ohne eine Sekunde zu zögern, sondern es vermutlich sogar gern täten.
»Wir hatten nie vor, Sie dies sehen zu lassen«, sagte Steerforth leise, »aber Ihr Großvater ließ uns keine andere Wahl. Sie müssen hineingehen.«
»Sie kommen nicht mit?«
Ein Zaudern. »Bitte«, sagte er; seine Stimme bebte leicht.
»Steerforth! Was ist los?«
Der Riesenkerl klang, als wäre er den Tränen nahe. »Die Leute glauben immer, ich fürchte mich vor gar nichts! Aber die da, die da drinnen sind …« Seine Worte klangen rau, und er begann zu zittern wie ein Trinker, der vor seiner Selbsthilfegruppe eingestehen muss, dass er schon wieder ein Alkoholproblem hat. »Die jagen mir Angst ein!«
»Aha, aber es macht Ihnen nichts aus, mich da reinzuschicken!«
»Sie werden völlig sicher sein«, sagte er, obwohl es ganz offensichtlich war, dass er das selbst nicht glaubte. »Die können den Kreis nicht verlassen; wenn Sie also außerhalb des Kreises bleiben, kann Ihnen nichts passieren, mein Wort drauf!«
Die Glastür glitt lautlos auf, und Steerforth blickte zur Seite. »Sie werden schon erwartet, Henry«, krächzte er. Der dunkle Fleck, der sich mit einem Mal an der Vorderseite seiner Hose bildete und am linken Bein hinab ausbreitete, war nicht zu übersehen. »Gehen Sie hinein«, fügte er hilflos hinzu.
»Bitte sagen Sie mir doch wenigstens, was da auf mich zukommt!«
Aber der Pitbull des Direktoriums konnte mir nicht einmal in die Augen sehen.
»Na gut«, seufzte ich. Als ich in das Dunkel trat, schloss sich die Glastür fast lautlos hinter mir.
»Mein Name ist Henry Lamb«, sagte ich mit angstvoll bebender Stimme in die
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