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Das Königshaus der Monster

Titel: Das Königshaus der Monster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Barnes
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Jacke über die Augen. »Hören Sie einfach nicht zu.«
    »Wir albern bloß rum, Sir.«
    »Veräppeln Sie ein wenig.«
    »Neckereien, Sir. Derbe Späße. In Wirklichkeit sind wir ehrlich hocherfreut, Sie kennenzulernen.«
     
    Während sie weiterschnatterten, verspürte ich eine seltsam bleierne Schwere über mich kommen – ein Gefühl, das man angeblich empfindet, wenn man in der Natur plötzlich einem Raubtier Auge in Auge gegenübersteht: die hypnotisierende Wirkung der Menschen fressenden Bestie. Dennoch war ich noch so weit Herr meiner Sinne, dass ich mich daran erinnerte, eine sichere Distanz zum Kreidekreis einzuhalten, als ich einen Schritt näher trat.
    »Ihr seid die Gefangenen«, flüsterte ich.
    »So könnte man’s sagen, Sir.«
    »So könnte man’s wohl sagen, ja.«
    Ich starrte die zwei in ihrem absurden Aufzug und mit ihrer kindischen Redeweise an und war sogar einen Moment lang im Zweifel, ob ich nicht lachen sollte. Was für eine Naivität – rückblickend und mit all meinem heutigen Wissen betrachtet.
    Hawker strahlte. »Hat mir schrecklich leidgetan, als ich hörte, dass es mit Ihrem Großpapa zu Ende geht.«
    »Schrecklich leid, Sir.«
    »Er war ein Genie, Ihr Opa!«
    »Und dazu ein Pfundskerl, Sir!«
    Hawkers Augen schwammen vor Wehmut. »Und – herrje, was für einen goldenen Sinn für Humor er doch hatte!«
    Die Präfekten brachen in johlendes Gelächter aus.
    Ich schwieg, entschlossen, diese beiden Kreaturen nicht die Oberhand gewinnen zu lassen; ich würde niemals so tief sinken, ängstlich vor ihrer Zellentür zu bibbern wie der Pitbull Steerforth!
    Als die beiden aufhörten zu gackern, beugte Boon sich vor und sah mir ins Gesicht. »Ich nehme an, der alte Fischkopf hat Sie geschickt.«
    »Ja, das hat er«, sagte ich ruhig.
    »Muss ja ordentlich schwitzen, der Alte, jetzt, wo Ihr Großpapa so gut wie abgekratzt ist«, gluckste Hawker. »Hat Ihnen gewiss aufgetragen auszuschnüffeln, wo Estella ist.«
    »Traurig, wie?«, sagte Boon, noch ehe ich antworten konnte; doch mein Gesichtsausdruck verriet ihm wohl alles, was er wissen wollte. »So vorhersehbar.«
    »Verflixt vorhersehbar.«
    »Ekelhafter kleiner Snob.«
    »Eingebildeter Affe.«
    »Würde ’ne kräftige Abreibung verdienen, das sage ich ganz ehrlich!«
    Ich nahm mich sehr zusammen, um nicht die Ruhe zu verlieren. »Nun, wissen Sie denn«, fragte ich, »wo sich diese Frau befindet?«
    Hawker wackelte mit den Augenbrauen. »Und ob, alter Schnürsenkel! Ihr Großpapa hat’s uns ja gesagt!«
    Boon setzte ein triumphierendes Grinsen auf. »Und wenn Sie ganz lieb zu uns sind, könnten wir es Ihnen sogar eines Tages verraten!«
    Ich sah ihn ärgerlich an. »Ich glaube, Mister Dedlock wird sich mit so vagen Aussichten nicht begnügen.«
    »Na, dann werden wir ihn wohl enttäuschen müssen.«
    »Heute tut sich nichts, Sir.«
    »Keine Chance, Sir.«
    »Nicht daran zu denken.«
    »Dedlock sagte mir, ihr würdet meinen Namen kennen«, sagte ich. »Wieso?«
    »Och, wir haben immer schon von Ihnen gewusst, Mister Lamb.«
    »Wir wollten nur mal Ihr Gesicht sehen, Sir.«
    »Wir wollten Ihnen in die Augen schauen.«
    Etwas Eiskaltes schlängelte sich mein Rückgrat hinab. »Warum?«
    Boon schenkte mir ein weiteres Haifischlächeln. »Damit wir Sie wiedererkennen, wenn wir uns das nächste Mal sehen, Sir. Draußen in der großen weiten Welt. Vor dem Ende.«
    Sie tauschten einen Blick aus – listig und verschwörerisch.
    »Ich glaube, ihr lügt«, stellte ich fest.
    »Nein, so was!«, kreischte Boon frohlockend. »Er glaubt, dass wir lügen, Hawker! Gerade erst hat er unsere Bekanntschaft gemacht, und schon sagt er, wir flunkern!«
    »Plustert sich mächtig auf, der Schnürsenkel!«
    »Ganz schön keck.«
    »Diese Frechheit! Diese schamlose Frechheit!«
    »Sagt einfach freiheraus, was er denkt, unser Mister Lamb, nicht wahr?«
    »Er nennt eben das Kind beim Namen, Boon.«
    »Gefällt mir eigentlich gar nicht schlecht.«
    »Muss man respektieren.«
    »Geradliniger Knabe!«
    »Kein faules Ei.«
    »Pfundskerl!«
    »Beehren Sie uns doch bald wieder, Sir!«
    »Würden uns mordsmäßig freuen über einen weiteren Besuch.«
    »Bevor Sie Reißaus nehmen.«
    »Nur eine Sache noch, Sir, bevor Sie abzischen.«
    »Ein paar kurze Worte über Ihren Vater, Sir.«
    »Ihren allzu früh dahingegangenen, tief betrauerten Paps.«
    »Mein Vater?« Ich spürte, wie sich die ersten Anzeichen von Panik in mir zu regen begannen. »Was wisst ihr über meinen

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